Hotel Infotainment-Systeme – Segen und Fluch

Früher war nicht unbedingt alles besser aber durchaus sehr oft einfacher. So auch die TV-Kisten in Hotels. Neben der Glotze lag früher eine Fernbedienung, das war’s. Manchmal war es auch etwas komplizierter, weil noch eine TV-Box mit im Spiel war – ob wegen Satelliten- oder DVB-T-Empfang. In Pensionen ist der Strom an der Steckerleiste grundsätzlich abgestellt, in Hotels sind die Einstellungen der Lautstärke oder TV-Programme sehr oft verdreht. Nichts desto trotz, das ist alles handelbar und nach kürzester Zeit kann man zur Entspannung ein bisschen Fernsehen schauen.

Dies führt mich auch bereits zum eigentlichen Grund, wieso man abends auf dem Hotelzimmer die Glotze anschmeißt: man möchte abschalten. Nach einer längeren Autofahrt oder einer anstrengenden Sitzung möchte man sich gegen Abend nur noch seicht berieseln lassen. Oder eine Nachrichtensendung anschauen, oder gern auch einem Musiksender lauschen. Der Zugang dazu sollte einfach und schnell gehen. Doch diese Rechnung hat man nicht mit den modernen Infotainment-Systemen gemacht. Mein Frust entlud sich an einem System von „better.guest„. Dazu später mehr.

Ich stelle es mir so vor. Eines Tages taucht ein Vertreter für solche Systeme bei der Hotelleitung auf und erzählt etwas von „Damit können Sie Kosten sparen, Personal entlasten, Hotelgäste glücklicher machen und nebenher noch paar Euro verdienen„. Besser geht es ja eigentlich gar nicht. Doch keiner dieser Punkte wird in der Realität eintreten.

  • Kosten sparen: Selbst wenn pro In-Room Tablet nur um die 5 Euro/Monat verlangt werden, sind dies 120 Euro in 2 Jahren – pro Zimmer. Nach spätestens 5 Jahren hat man einen großen Berg an Elektroschrott, und egal wer ihn schlussendlich entsorgen wird, nachhaltig ist dies gegenüber Papierausdrucken keineswegs.
  • Personal entlasten: ja und nein. Das House-Keeping kann in digitalen System nachschauen, was der Gast als Wünsche angegeben hat oder auf was der Gast verzichten möchte – zum Beispiel den Wäschewechsel. Wenn das Tablet aber nicht funktioniert, hat man davon auch nichts. Und wer sorgt dafür, dass die Technik reibungslos funktioniert? Das House-Keeping oder eine Fachkraft? Extrakosten!?
  • Hotelgäste glücklicher machen: Nein! Ich war dezent gefrustet von der lumpigen Technik und war am Ende froh, dass wenigstens der WiFi-Code von einem Papierausdruck ablesbar war, so dass ich auf meinem privaten Laptop ein bisschen Fernsehen schauen konnte.
  • Werbung, Conversion, bunte Erwartungshaltungen: In solch ein Infotainment-System lassen sich Veranstaltungstermine einspielen oder Werbung schalten für umliegende Geschäfte. Das ist nett gemeint, doch ich werde sicher nicht in ein paar Wochen wiederkommen um extra an dem „Grünkohlessen“ teilnehmen zu können. Auch das Angebot von der Massagepraxis wird an mir vorbei gehen. Die allermeisten Gäste kommen, übernachten und gehen wieder. Die wenigsten werden die Werbung wahrnehmen und noch weniger werden die Angebote auch in Anspruch nehmen. Und um für zuhause ein bisschen Infomaterial mit zu nehmen, fehlen dann wieder die gedruckten Broschüren.

Am liebsten hätte ich das System aus dem Fenster geworfen

Nach einem langen Meeting kam ich um circa 22 Uhr in meinem Zimmer an. Wollte nur noch die Füße hochlegen und den Fernseher anmachen. Fernbedienung? Nein! Dafür stand ein 10-Zoll Tablet in einer Ladehalterung. „Willkommen … blabla …“ Ja danke, wo ist der Zugang zum TV? Ah, hier gibt es was zu klicken. Der Fernseher schaltet sich ein. Kurz, dann geht er wieder aus. Das Tablet startet sich neu. Das selbe Spiel von neuem. Der Schieberegler für die Lautstärke reagiert wie ein durchgekauter Kaugummi. Ich bin genervt und laufe zum TV-Gerät. Irgendwo gibt es sicherlich Gerätetasten für die Lautstärke. Nein! Also weiter am Tablet versucht, etwas anderes einzustellen. Nach etlichen Versuchen lande ich endlich in einer Senderliste. Auswählen kann ich jedoch nichts. Der Zurück-Button hängt versteckt im oberen Bereich. Einen haptischen Home-Button gibt es auch nicht. Also den Power-Button gedrückt. Nach einigen Sekunden bin ich wieder auf dieser Senderliste. Wie kann man den Elektronikschrott neu starten? Ist nicht vorgesehen.
Nach circa 20 Minuten drücken und schieben von virtuellen Knöpfen gebe ich genervt auf. Im Internet lese ich, dass ich mir auch eine App installieren könnte. Garantiert nicht. Das TV-Gerät bekomme ich auch nur ausgeschaltet, in dem ich länger als 10 Sekunden den hinten versteckten Power-Button drücke. Herrliche moderne Welt. Auf ein Blatt Papier schreibe ich ganz analog und oldschool, wie wunderbar die Technik nicht funktioniert hat. Mit besten Dank für nichts.

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