Die deutsche Durchschnittsfamilie

Bei Kerner (ZDF) sitzt gerade die Marketing-Managerin aus dem Hause Jung von Matt, Frau Karen Heumann. Es geht um die durchschnittliche deutsche Familie bzw. im Konkreten um das deutsche Durchschnittswohnzimmer.

Sabine und Thomas haben 1,2 Kinder (in diesem Fall Alexander), haben 117 mal Sex im Jahr, fahren mit dem Auto zur Arbeit, verbringen fast vier Stunden auf dem Sofa und markieren die zu schauenden Sendungen in einem TV-Magazin.

Die Durchschnittswohnung hat 90 qm, 3 1/2 Zimmer, ist ausgelegt mit blauer, niederfloriger Auslegware. Man sieht im Durchschnittswohnzimmer eine gewöhnliche Schrankwand, hell-gelb gestrichene Wände, einen Kerzenständer von Ikea und einen Halogen-Deckenfluter.
Die Marketing-Managerin sprudelt nun erst richtig aus sich heraus: 18 Prozent haben einen Flachbildschirm, seit 2004 haben die meisten einen DVD-Player trotzdem steht bei knappen 45 Prozent noch der alte VHS-Player. Im Schnapsschrank steht je eine Flasche Rotkäppchen-Sekt, Jägermeister und Baileys – die meist verkauften Spirituosen.

Dieses durchschnittliche Wohnzimmer steht bei Jung von Matt in der Hamburger Zentrale. Und viele Kollegen bzw. Kunden nutzen dieses Wohnzimmer als Brutstätte(!?) für neue Ideen oder als Konferenzraum. Gruselig die Vorstellung.
Die großen Werbe- und Marketingagenturen wissen so viel über uns Deutschen, dass einem fast schwindlig werden kann. Sicherlich führen sie auch eine Statistik darüber, wie oft der Durchchschnittsdeutsche täglich aufs Klo geht und wie viel Prozent danach die Hände waschen. Oder aber auch wie oft im Durchschnitt die Wohnung gesaugt wird oder ob benutzte Menstruationsbinden im Müll oder in der Toilette landen. Für das Entwickeln von Werbekampagnen oder zur Kundenanalyse ist jede Statistik und jeder zu erfassende Wert recht.

Dies wäre lange nicht so traurig und erschreckend, wenn nicht darunter die deutsche Werbung derart qualvoll leiden würde. Resultierend aus den vielen Werten und dem großen Wissen über die Kunden werden wir dann mit  solch brutals optimierten Marketing-Slogangs wie „Geiz ist Geil“ (von Jung von Matt) über Monate oder gar Jahre verfolgt. Auch ein Olli, der in zig Rollen „das-kauf-ich-Euch-ab“ in die Kamera trällert, ist das Ergebnis von unzählig vielen Statistikstudien.
Auch wenn eine jung-dynamische Frau, Mitte 30, süffisant das Bonbon-Papier abwickelt und erklärt, dass die dank Fruchtzucker nicht nur für ihre Kinder ganz gesund(!?) sind, hängt dahinter eine Analyse der Durchschnittsfamilie. Oder wenn Typen im Holzfällerhemd wie bei diesen Musik-Shows auf einem Hocker sitzen und erklären, dass dieses Schnitzel nur was für echte Männer ist. Grässlich! Stereotype, langweilige und beliebig austauschbare Werbung ohne jegliche Kreativität und Orginalität.

Der Durchschnittsdeutsche liebt anscheinend die sich selbst erklärende Werbung. „Hält dank dem Super-Booster-Effekt nun bis zu 12 Stunden länger.Oder „Jetzt für kurze Zeit 20 Prozent Gratis.“ Oder aber, die Werbeindustrie schießt mit ihrem Zuviel an Wissen über das Ziel hinaus. Werbung arbeitet zielgruppenorientiert und eine möglichst effektive Kampagne zu bekommen. Doch diese auf Unterhosenfarbe optimierte Werbung ist auch der Stolperstein für eine völlige Bruchlandung. Wenn Werbung nur noch erklärt und exakt das Produkt anpreist, wird Werbung langweilig, beliebig und bider.

Ich hoffe nur, dass wir Durchschnittsdeutschen nicht wirklich auch so langweilig, beliebig und bider sind. Mir gruselt es gerade.

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Ein Kommentar

  1. Offenbar hat die Kerner-Redaktion so kurz vor Weihnachten keine richtige Lust mehr. Denn, daß JvM so ein Wohnzimmer benutzt und daß da ganz viele IKEA-Sachen drin stehen, weiß man eigentlich schon seit geraumer Zeit. Da kann sich nur ein Kerner drüber wundern.
    Die mit in der Sendung sitzenden Comedians waren auch entsprechend gelangweilt.

    Interessant war auch die Werbetussi. Die geht in dem Thema voll auf und merkt doch nicht, wie sie selbst zum austauschbaren Durchschnitts-Spießer wird. Du bist Deutschland.

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