Premiere gibt die letzte Vorstellung

Bei der Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG aus Unterföhring bei München hat man derzeit wenig zu lachen. Immer wieder kämpfte man gegen die angeblich vielen Schwarzseher und investierte fortwährend in neue Verschlüsselungsmethoden. Noch vor wenigen Wochen hatte man eine Umsatzwarnung ausgesprochen, weil angeblich durch die vielen Schwarzseher und Cracker der Umsatz nicht den zu erwartenden Gewinnen entsprechen würde. Wie erst jetzt vor wenigen Tagen bekannt wurde, liegen bei Premiere ganz andere Leichen im Keller. Man hatte über Jahre die Zahlen der Abonnenten geschönt.

Der Beschiss begann laut Focus wohl bereits vor dem Börsengang im März 2005. Über 16.000 Kunden hatten eine zusätzliche Smartcard fürs Kinderzimmer erhalten. Diese kostenlosen Kinderabos wurden allerdings als vollwertige Abos gezählt. Im Dezember 2004 lieferte man für Mitarbeiter und Freunde von Neckermann über 10.000 Abos; natürlich auch hier als reguläre Abos gezählt, ob die Karten jemals aktiviert wurden oder nicht. Auch die fast 12.000 Abos für Hotels wurden als vollwertige Kunden gezählt – wenn auch die Hotelliers „gemäß Auslastung“ nur 60 Prozent der normalen Abogebühren zahlen brauchten. Auch die ca. 10.000 Sportbars erhielten kostenlose Musikpakete für 12 Monate, welche ebenfalls als normale Abos in die Statistiken eingingen. Und an die Mitarbeiter der HypoVereinsbank wurden 15.000 Abo-Pakete verschenkt. Erschwerend bei den Abos für die Hypo-Mitarbeiter kommt hinzu, dass die Bank beim Börsengang Konsortialführer war. Man versucht mit diesem halb illegalen Schritt die Statistik des Unternehmens zu verbessern.

Und nun steht Premiere vor dem selbst verursachten Scherbenhaufen. Man denkt an einen Ausstieg aus der Börse, hat den Marketingvorstand entlassen und kämoft mit der Finanzaufsicht. Die Premiere-Aktie lag vor zwei Monaten noch bei ca. 12 Euro. Derzeit dümpelt sie bei wohl realistischen 2,50 Euro rum. Ein Verlust von knappen 80 Prozent ist bitter für ein börsennotiertes Unternehmen, doch die Schuld kann man in diesem Fall an niemand anderen weiterschieben. Nicht einmal die angeblich vielen Schwarzseher sind derzeit ein Thema.

Ich habe mich schon immer gefragt, wer so viel Zeit hat, sich ein Premiere-Abo zu leisten. Das Angebot der Filme ist unattraktiv, die Preise sind hoch und der Markt an DVD-Angeboten und werbefreien Filmen (bei den Öffentlich-Rechtlichen) ist in Deutschland fast unüberschaubar. Wozu dann noch ein Premiere-Abo? Von den doch wenigen sportfanatischen Fußball- oder Formel1-Interessierten kann man als Bezahlsender nicht leben. Für den Rest lohnt sich Premiere nicht sonderlich. Das sah man bei Premiere wohl ähnlich und began mit der Frisierung der Abo-Zahlen. Schießlich muss man als attraktiv glänzen, möchte man an die Börse. Jetzt wird im Hintergrund wild gerechnet, wie viele wirkliche Abonnenten man nun hat.

Die 3,55 Millionen Kunden galten schon lange Zeit als pure Utopie. Dies würde bedeuten, dass ca. in jeden siebten Haushalt hätte ein Premiere-Decoder stehen müssen. Bei der Betrachtung in meinem privaten Umfeld komme ich hingegen zu einem ganz anderen Ergebnis. Die netten Premiere-Vorstände hatte wohl zu sehr die Gier gepackt und man ist mit den Zahlen weit übers Ziel hinaus geschossen. Nach Neuberechnungen kommt man bei Premiere nun nur noch auf 2,4 Millionen Abonnenten.

Es ist eine nur Frage der Zeit, wie lange der Hauptfinanzier Robert Murdoch noch an dem Pleite-Sender festhalten wird. Das Wehklagen wird sich wahrscheinlich in Grenzen halten, denn so richtig wird Premiere keiner vermissen. Es gibt für alles Premieren – auch beim „Premieren“-Sender schlechthin.

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