Die subventionierte Musikindustrie

In Frankreich geschieht derzeit Unfassbares. Heute beschließt die  französische Regierung die Anhebung des Rentenalters von derzeit 60 Jahre auf zukünftig 62 Jahre. Dem französischen Volk schmeckt das gar nicht und daher wird (mal wieder) heftig demonstriert. Etwas abseits der medialen Bühne manövriert sich Frankreich mit Volldampf in einen Überwachungsstaat mit der Legitimation zum Vollzugriff. Davon bekommen die allermeisten nichts mit, denn es geht um die Überwachung der Internetleitung. Erst wenn eine illegale Datei über das Internet herunter geladen wurde, wird man die neuen Bestimmungen zu spüren bekommen.

Zur Bekämpfung illegaler Downloads wurde vor ein paar Monaten die Internet-Kontrollbehörde “Hadopi” gegründet (Hohe Autorität für die Weiterverbreitung von Werken und den Schutz von Urheberrechten im Internet). Hinter Hadopi steckt allerdings etwas mehr als nur eine einfache Kontrollbehörde. Laut Gesetz ist sie dazu legitimiert, Anschlussinhaber zu identifizieren und abzumahnen. Beim Hadopi-Gesetz handelt es sich um die französische Version der Europäischen Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG. Für Hadopi gilt das sogenannte „Three-Strike-Modell“.
Kommt es zu einer Urheberrechtsverletzung, ermittelt die Behörde in einem ersten Schritt beim Provider die Anschrift sowie den Namen des Anschlussinhabers. Per E-Mail wird dann eine Abmahnung versendet. Handelt es sich um einen Wiederholungstäter, wird beim zweiten Vergehen die Abmahnung per Post (mit Einschreiben) versendet. Kommt es in Folge dessen zu einer dritten Urheberrechtsverletzung, kann die Behörde die Sperrung des Netzanschlusses beantragen. Der Surfer wird dann sprichwörtlich vom Netz abgehängt. Maximal ist eine Sperre von einem Jahr möglich.

Die Musik- und Filmindustrie hat mit Hadopi genau jenes erreicht, was sie schon seit langem haben wollte. Statt sich neue Geschäftsmodelle auszudenken, wird lieber der Weg der Bestrafung begangen. Auch wenn der Besitzer der Internetleitung sich sonst nichts zu schulden kommen lässt, so muss er „nur“ wegen dem unrechtmäßigen Download auf die komplette Infrastruktur verzichten.
Ein anschauliches Beispiel aus der realen Welt soll es verdeutlichen. Sie klauen in einer Buchhandlung ein Taschenbuch. Anzumerken ist, dass es sich hierbei bereits um einen Diebstahl handelt, da sie einen reale Sache entwendet haben. Beim illegalen Download einer Datei wird nur ein hypothetischer Umsatz dezimiert. Keineswegs handelt es sich dabei um einen Diebstahl. Dies jedoch nur am Rande.
Sie haben also ein Buch geklaut und werden dabei erwischt. Leider drei mal hintereinander. Nun könnte man meinen, dass sie für eine gewisse Zeit Hausverbot für genau jene Buchhandlung bekommen, in der sie die Bücher gestohlen haben. Im (französischen) Internet ist die Sache anders. Hier bekommen sie nicht nur für alle Buchhandlungen ein Hausverbot, nein für das komplette geschäftliche und kulturelle Leben wird ihnen der Zutritt versperrt. Würde ihre Nahrungsbeschaffung – quasi ihr eigenes Leben – vom Internet abhängen, hätten sie in Frankreich nach der Sperre nur noch eine begrenzte Lebenszeit. Alle Geschäfte, alle Marktplätze  und selbst jedes Café wäre für sie gesperrt.

Das Hadopi-Gesetz ist grotesk. Auf der einen Seite kann man verstehen, dass die Regierung Wiederholungstäter in einer gewissen Art und Weise bestrafen möchte. Doch wieso wegen ein paar illegalen Downloads der komplette Internetzugang gesperrt wird, versteht keiner so recht. Die Geschichte wäre aber längst nicht so skurril, wenn dieser Tage nicht schon der nächste Coup der Musikindustrie folgen würde. Vor ein paar Tagen hat die französische Regierung grünes Licht für die „Carte musique“ von der europäische Kommission bekommen. Bei Carte musique handelt es sich um subventionierte Downloads von Musik. Ja, sie haben richtig gehört. Der französische Staat subventioniert mit 50 Millionen Euro (auf zwei Jahre) den Musikdownload.

Jeder Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren der einen französischen Wohnsitz hat, bekommt einmal pro Jahr einen Gutschein mit einem Betrag von 25 Euro. Dieser Gutschein hat bei Musik-Abo-Diensten einen Gegenwert von 50 Euro. 50 Prozent zahlt also quasi der Staat die restlichen 50 Prozent „schenken“ die Musikdienste dem ehrlichen Käufer. Das Projekt Carte musique soll junge Internetnutzer daran gewöhnen, legal ihre Musik zu besorgen und dafür bezahlen.
Die Musikindustrie beweist damit, dass sie wirklich keine neuen Geschäftsideen hat. Sie kennt nur den Verkauf ihrer akustischen Ware. Geld gegen Musik. Wer das nicht kapiert, muss die Konsequenzen spüren und wir vom Internet abgeklemmt. Bei der Erziehung hätte man früher gesagt „Hiebe und Liebe„.

Das traurige an dieser „Erfolgsstory“ ist, dass die französische Regierung sich komplett zum Handlanger der Medienindustrie erklärt hat. Anstatt die nötige Distanz zwischen Industrie und Politik zu wahren, gibt sich die Regierung als perfektes Wirtstier. Wenn man in der Biologie von einem parasitären Verhalten spricht, so kann man dies auf diesen Fall eins zu eins übertragen. Es bleibt abzuwarten, bis wann diese Doppelstrategie in Deutschland eingeführt wird. Die Musikindustrie „leidet“ hierzulande an den selben Problemen .. und die Politik gilt ebenso als unterwürfig.

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