Mal wieder der Fachkräftemangel

Spiegel-Online berichtete am 23. Oktober (mal wieder) vom Fachkräftemangel in Deutschland. Darin heißt es, dass die Wirtschaft brummt und zu wenige Fachkräfte zur Verfügung stehen. Eine mögliche Konsequenz wäre nach Ansicht von Ökonomie-Experten, dass die Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden ansteigen könnte.

Wir leben im Jahrhundert der Informationsgesellschaft. Wir haben die Industrialisierung hinter uns gelassen. Computer erleichtern uns den Büroalltag. Roboter ersetzen körperlich anstrengende oder knifflige Arbeiten. Maschinen haben einfache Arbeiter weg rationalisiert. Und dennoch scheint es unaufhörlich einen Mangel an ausgebildeten Arbeitern zu geben. Wie passt dies zusammen? Haben wir am Ende gar keinen echten Fachkräftemangel?

Im Beitrag von Spiegel-Online wird der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, mit den Worten zitiert: „Der Fachkräftemangel kann nicht mit Arbeitslosen oder älteren Arbeitnehmern beseitigt werden.“ Dies ist logisch für einen Vertreter der Mittelstandvereinigung. Denn rein rechnerisch ist es für einen Arbeitgeber günstiger, seinen Angestellten ein oder zwei Stunden pro Woche mehr auf zu brummen, als einen weiteren Mitarbeiter für die Mehrarbeit einzustellen.

Unser Wirtschaftssystem benötigt zudem im wiederkehrenden Rhythmus solche Motivationsparolen. Ob es nun die Anhebung des Rentenalters ist oder der Fachkräftemangel. Stets wird uns eingetrichtert, wir müssen noch produktiver werden. Wir müssen bald solange arbeiten, bis wir 70 Jahre alt sind und wir müssen uns anhören, dass mehr qualifizierte Arbeit vorhanden ist als qualifizierte Arbeiter. Was heißt das? Das Geschäft brummt. Keine Zeit dabei an Urlaub zu denken; und schon gleich gar nicht sollte man in solchen Momenten krank werden.
Auch für das Ausland ist es ein gutes Signal, wenn vom Fachkräftemangel die Rede ist. Wir haben schlichtweg selbst viel zu viel zu tun, um die anfallende Arbeit auf Angestellten verteilen zu können. Und einen ungelernten ALG-2-Empfänger bekommt man nicht über Nacht zu einem Mechatronik-Ingenieur mit Abschluss. Die Experten geben dem wirtschaftlichen sowie politischen Ausland das Gefühl, wir sind derart potent produktiv, dass uns demnächst wahrscheinlich auch die restlichen Feiertage gestrichen werden.

Doch entspricht dies alles der Wahrheit? Ich würde sagen, dass wir nur einen gefühlten Fachkräftemangel haben. Es ist wohl vielmehr so, dass unsere Industrie und die speichelleckende Politik stetig das Manko der fehlenden Fachkräfte veröffentlichen. Dies passt wunderbar ins korrekte Land der Arbeitswilligen und Konservativen. „Mein Kind schau her, Du musst studieren, denn in unserem Land herrscht Fachkräftemangel.“ Braucht man bald ein Diplom, wenn man im Supermarkt an der Kasse sitzt? Oder werden demnächst nur noch Reinigungskräfte mit Abitur und dreijähriger Ausbildung zur Fachreinigungskraft eingestellt?

Was möchte uns der Erfinder des Fachkräftemangels sagen? Und an welchen Fachkräften mangelt es überhaupt? Darüber wird seltsamerweise nie ein Wort verloren. In den Expertenabteilungen unserer Wirtschaftsinstitute herrscht offensichtlich nie ein Mangel an kräftigen Fächern .. nein .. an Fächern von mangeligen Kräften .. nein .. an Kräften von fächrigen Mängeln. Perfekt. Man muss diese Worthülse nur lange genug drehen und wenden und schon hat man wieder einen Fachkräftemangel. Toll!

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