Wenn eine Wirtschaftsbranche die ‚Goldene Himbeere‘ verdient hätte, dann mit großer Wahrscheinlichkeit die Musikindustrie. Keine Branche verweigert sich mehr den Wünschen ihrer Kunden, als es die Lobbyisten der musischen Künste es tun würden. Permanent sind die anderen schuld – mal die Politiker, dann wieder die Kunden oder auch mal andere Branchen. Das Versagen in den eigenen Reihen zu suchen, so schlau zeigt sich die Musikindustrie indes nicht. Bleibt die spannende Frage, wieso sich eine Branche mit Milliardenumsätzen so isoliert gibt.
Das Internet als Wurzel allen bösen Übels
Wie einfach waren doch die alten Zeiten. Musik gab es früher entweder auf großen und unhandlichen Vinylplatten oder auf behandlungssensitiven Bandkassetten. Dann kam die Audio-CD und mit ihr das digitale Zeitalter in der ansonsten analogen Welt der Musik. Schon damals waren die CD-Kopierer der Musikindustrie ein Dorn im Auge. Doch die massigen Umsatzgewinne der CD-Verkäufe ließen dieses Problem in den Hintergrund rücken.
Mit dem Internet kamen plötzlich Audiodateien (WAV, MP3, OGG, WMA, etc.). Die Information – sprich Musik – wurde vom Medienträger – Audio-CD – gelöst und damit noch viel flexibler. Erstmals war es dadurch möglich, seine Wunschmusik überall hören zu können. Heute geniest man die Musik vom CD-Spieler, auf dem PC, vom MP3-Player, im Auto oder vom hauseigenen Medienserver.
Die Musikindustrie allerdings sperrte sich zunächst gegen die digitalen Musikdateien. Man befürchtete, dass die Musik kurzerhand in den unzähligen Tauschplattformen – ohne Gewinn für die Industrie – von privat zu privat getauscht würde. Und so kam es, wie es kommen musste. Heute findet sich im eMule- bzw. Torrentnetzwerk fast jeglicher Song. Man muss unter Umständen nur die nötige Geduld mitbringen.
Verluste beim Umsatz. Verluste beim Gewinn. Erster Teil.
Die Musikindustrie hatte ihren Schuldigen gefunden: das Internet und seine Benutzer. Die Chefs der großen vier Musiklabels war sich unisono sicher, dass den Menschen mit den P2P-Netzwerken jeglicher Sinn für das Rechtsbewusstsein verloren gegangen wäre. Bestätigt durch die Imagekampagne der Filmwirtschaft ‚Raubkopierer sind Verbrecher‚ erklärte man den Kopierern den ‚Krieg‘. Man wollte den sinkenden Umsatz nicht ungestraft lassen.
Die Musikbranche investierte Unsummen in die Verfolgung und Bestrafung von Verletzern des Urheberrechts. Teilweise bekam man das Gefühl, als ginge es der Branche nicht mehr um das Machen von Musik sondern um das Verfolgen von ‚Verbrechern‘.
Mit zaghaften Versuchen begann man den Wünschen seiner Kunden zu folgen. Die ersten Musikdownloadportale öffneten. Doch, um dieses Mal nicht wieder den selben ‚Fehler‘ wie mit der Audio-CD zu machen, begann man die Werke bzw. die Daten mit DRM (Digital Rights Management) zu schützen.
DRM – Fluch und Segen
Für die Musikindustrie ist DRM ein voller Segen. Die Branche kann nun fallabhängig bestimmen, wie, womit und vor allem wie oft man das herunter geladene Stück abspielen und anhören darf. Der Kunde ist nicht länger (freier) Konsument, er wird vielmehr zur Marionette eine ganzen Branche. Die Umsätze bei den Musikdownloads wuchsen anfangs rasant, nicht zuletzt weil Apple mit seinem iPod (MP3-)Player den Nerv der Zeit getroffen hatte. Ein Problem blieb: die DRM-verkrakelte Musik war an bestimmte Geräte oder gar an festgesetzte Anzahlen der Wiedergabe gebunden.
Kunden beschweren sich all zu oft über das DRM-Dilemma. Im digitalen Medienzeitalter gibt es für Konsumenten keinen größeren Fluch, als der Einschnitt in die persönlichen Freiheitsrechte. Die Industrie schreibt ihrer zahlenden Kundschaft vor, was man mit der Musik machen darf bzw. nicht machen kann.
Verluste beim Umsatz. Verluste beim Gewinn. Zweiter Teil.
Kunden lassen sich nur sehr ungern gängeln. Dies ist in der Musikbranche nicht anders wie in jeglich anderen Bereichen. So kam es wie es kommen musste. Die Umsätze bei den Musikdownloads stagnieren; die Umsätze bei den ‚alten‘ Audio-CDs gehen indes weiter zurück.
Der Kunde hat sich an den Komfort gewöhnt, überall und jederzeit seine Lieblingsmusik hören zu können. Was ihm die Industrie nicht liefern kann, besorgt er sich eben (weiterhin) auf dem illegalen Wege. Die P2P-Netzwerke (Peer-to-Peer) zeigen sich von den anhaltenden Drohungen und Rechtsverfolgungen der Musikindustrie unbeeindruckt aktiv. Die geschätzte Menge der Musiktitel, welche per P2P online zur Verfügung stehen, ist so hoch wie vor Monaten nicht mehr.
Steve Jobs übt Kritik und erntet Kritik.
Steve Jobs hat eine kühne und aus Kundensicht stets erhoffte Botschaft an die Musikbranche: lizenziert die Musik ohne DRM und die Kunden werden es mit steigenden Umsätzen danken.
Kein Wunsch kommt dieser Aussage von Steve Jobs näher. Fast alle Musik-Downloader wären bereit, für die digitale Kost zu bezahlen – allerdings nur so lange sie nicht per DRM verstümmelt ist. Der Kunde hat einen einfachen Wunsch: die Musik, für welche er Geld bezahlt hat, überall, zu jeder Zeit und so oft hören zu können, wie er möchte. So einfach kann Business manchmal sein.
Zu diesem Ergebnis kommt auch die groß angelegte Studie „Forschungsprojekt Zukunftsmusik“ der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit Spiegel Online. Über 80% der Teilnehmer sagten aus, dass sie für ein digitales Musikstück ohne DRM bis zu 99 Cent zahlen würden.
DRM weg – Umsätze hoch.
Die Rechnung könnte so einfach sein, wenn sie nicht an den engstirnigen Managern der großen Musikkonzerne scheitern würde. Man hat Angst, dass sich das ungeschützte Liedgut dann (vor-)schnell und problemlos über Tauschbörsen verbreiten würde.
Dies geschieht bereits heute, liebe Musikindustrie. Und dies wird auch ohne DRM-Verdongelung so sein. Denn es wird immer einen gewissen Prozentsatz X in der Bevölkerung geben, welche lieber das Urheberrecht bricht als auf legale Weise Waren zu erwerben.
Doch sehr vielen ist es zu kompliziert, zu mühsam und stellenweise auch zu gefährlich, über P2P sich die Musik zu besorgen. Genau jene wären die ersten, welche DRM-freie Musik im Download(abo) begrüssen würden.
Es ist vieles eine Frage der richtigen Kommunikation – sprich Werbung. Mit Verboten und Rechtsbelehrungen gewinnt man allerdings keine Kunden sondern nur verärgerte Abwanderer.