Ich öffne meinen Briefkasten und habe Post von der FDP. Wie kommt’s? Habe ich eine Mitgliedschaft gewonnen? Gelte ich als Selbständiger automatisch als FDP-Stimmvieh? Oh nein, die Briefchen gehen „an alle Bürgerinnen und Bürger des Hauses„. Und wahrscheinlich nicht nur in diesem Haus wurde die Werbepost verteilt. Da fragt man sich: wie schlecht muss es den Liberalen gehen, dass sie sich derart nuttig anbiedern müssen?
Rainer Brüderle zeichnet sich verantwortlich für diese Werbepostille. Er ist Mitglied im Deutschen Bundestag sowie Vorsitzender der FDP-Fraktion und war Bundesminister für Wirtschaft und Technologie. Der Zusammenhang zwischen seiner Person und der beworbenen Aktion „Freiheit bewegt – soziale Marktwirtschaft“ ist mir nicht klar geworden.
Soziale Marktwirtschaft
Wenn die FDP mit der sozialen Marktwirtschaft wirbt, kann die SPD auch gleich den sozialen Kommunismus fordern. Selbst der schlechteste Kabarettist würde den Begriff „soziale Marktwirtschaft“ nie im Zusammenhang mit der FDP verwenden. Ein Kabarettist ist für diese Werbeveranstaltung aber gar nicht nötig. Es bildet von sich aus schon die perfekte Steilvorlage für ein Bühnenprogramm. Es ist bestes Bullshit-Bingo. Auszüge:
- „Verantwortung für die Gesellschaft„: für einen kleinen Teil der Gesellschaft ja, für den großen Rest der Bevölkerung leider nicht.
- „Wachstumsbeschleunigungsgesetz„: war der größte Betrug an der deutschen Sprache seit Erfindung der Bürokratie.
- „Wir stehen für [..] Rekordbeschäftigung„: zählen dazu auch 1-Euro-Jobber und alleinerziehende Mütter?
- „Reallöhne sind seit 2010 stetig gestiegen„: eine weitere Folge aus der Reihe „verbiege die Statistik bis sie passt„
- „Stabilität des Geldes„: so stabil und beeinflussbar wie das Wetter
- „Inflation vernichtet Werte„: nein, denn die Inflation vernichtet nur den Wert von Geld
- „Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand, stabiles Geld„: mehr Sonnentage, mehr Urlaub, Luxusvillen für alle … BINGO!
Auf der beiliegenden Antwortkarte kann man DialogPartner werden noch weiteres gedrucktes Politikgesülze sich zusenden lassen. Die Vorderseite dieser Karte ist super. Zwei kleine Mädchen schauen über eine Tischplatte. In der Mitte steht ein rosa Sparschwein. Darunter der Leitsatz „Stabiles Geld für die Zukunft unserer Kinder„. Der Werbefachmann hätte auch zu Katzenvideos raten können; die gehn‘ auch immer. Kinder haben immer eine Zukunft, fragt sich nur welche. Aber was ist „stabiles Geld“? Das Einfrieren der Preise ist bei der FDP damit wohl nicht gemeint. Oder steckt dahinter nur das alberne Spiel: steigende Löhne verursachen steigende Kosten verursachen steigende Löhne …
Ich finde es von der FDP kackdreist, jedem Bürger ungefragt dieses Werbeschreiben in den Briefkasten zu legen. Jedes Unternehmen hat strengste Bestimmungen zu beachten, wenn es um das Verteilen von Werbung geht. Doch eine FDP leistet sich einfach mal den Luxus und richtet ihre Reklame an „alle Bewohner des Hauses“. An die Kosten möchte ich gar nicht denken. Finanziert über meine Steuergelder wird eine Partei am Leben gehalten, welche schon längst paläontologisch untersucht werden könnte.
Geht sterben! Und lasst vor allem die teuren Anbiederungsversuche, die dennoch billig wirken. Ein Quelle-Versandunternehmen und ein Schlecker sind von der wirtschaftlichen Bildfläche verschwunden. Insgesamt mehr als 40.000 Angestellte. Da kann es auch mal eine liberale Partei mit ca. 60.000 Mitgliedern treffen. Das ist nichts Schlimmes, auch wenn Machtverlust irgendwie wie Selbstmord wirkt.