Seit fast zwei Jahren beeinflusst das neue Betriebssystem von Microsoft den Markt der Smartphones. In Europa schätzt man den Marktanteil auf knappe 10 Prozent. In den USA ist Windows-Phone jedoch kaum messbar. So ergibt sich eine weltweite Verbreitung von gerade einmal drei Prozent. Selbst die nicht mehr weiter entwickelten Systeme Series 40 und Symbian erreichen noch eine weitaus größere Verbreitung.
Schuld daran hat nicht nur das schwächelnde Interesse der Smartphone-Hersteller sondern auch die Firmenpolitik von Microsoft. Das Softwareunternehmen verlangt offensichtlich hohe Lizenzgebühren für das neue System. Darüber hinaus sind die im System eingebauten Einschränkungen sehr hoch. Was für die Sicherheit und Stabilität des Systems gut sein mag, ist für die Entwickler wie ein rotes Tuch. Jeglicher Freiraum für spezielle Anwendungen wird bereits im Kern (des Betriebssystems) erstickt.
Mit Windows Phone 8 hat sich Microsoft von der separaten Entwicklung eines eigenen Mobilsystems verabschiedet. Im Unterschied zu WP7 basiert das neue WP8 nun auf dem selben Kernel wie Windows 8 und Windows RT. Doch bei der Neuentwicklung hat man einige Funktionen eventuell vergessen. Ein Smartphone ist nun mal kein Desktop-PC. Der tragbare Minicomputer hat nicht nur einen anderen Einsatzzweck sondern muss auch andere Anforderungen erfüllen.
Metro heißt die neue Oberfläche, welche Microsoft mit Windows Phone 7 – respektive Windows 8 – eingeführt hat. Icons sind durch Kacheln ersetzt und es wurde ein einheitliches Bedienkonzept aufgebaut. Gerade auf mobilen Geräten wirkt die Metro-Oberfläche sehr durchdacht. Sogenannte „Live-Tiles“ (aktive Kacheln) auf dem Startbildschirm geben Auskunft über Aktivitäten und aktuelle Informationen. Innerhalb der Metro-Anwendungen wischt man nach links oder rechts, um zwischen den einzelnen Unterseiten zu navigieren. Das Farbkonzept ist dabei durchgängig, sofern man sich an die Systemvorgaben und den Style-Guide von Microsoft hält. Von der Kachel bis hin zu den Links hat alles die selbe, festgelegte Farbe. Auf Bildschirmhintergründe wurde verzichtet, da diese größtenteils eh komplett überlagert sind.
Der positive Gesamteindruck kann nicht über die Mängelliste hinweg täuschen, die sich bei der täglichen Arbeit mit einem „Windows-Phone“-Smartphone ergeben. Hier ein paar negative Highlights. Stellenweise sollen diese mit einem Update (GDR3 von WP8, bzw. WP8.1) behoben sein.
- Profile: Jedes Handy kennt unterschiedliche Profile wie Normal, Draußen oder Still. Nicht jedoch bei WP8. Dort kann man nur die generelle Lautstärke regeln. Statt mit ein paar Klicks das Verhalten komplett zu ändern, regelt man permanent die Lautstärke.
- Lautstärke: Den Wecker wünscht man sich gern etwas lauter, den Hinweiston über neue Nachrichten eventuell leiser. Nicht so bei WP8. Dort hat alles die selbe globale Lautstärke. Dies führt schnell dazu, dass man abends eine angenehm leise Lautstärke für ein Spiel genutzt hat und morgens dann den Wecker verpennt, weil dieser in der selben“angenehmen“ Lautstärke versucht einen zu wecken.
- Situationen: Von Symbian war ich die hilfreiche App „Situations“ gewohnt. Mit Hilfe dieser App konnten diverse Einstellungen abhängig vom definierten Zustand geregelt werden. Man konnte beispielsweise für einen bestimmten Zeitraum (z.B. nachts) den WLAN-Empfang ausschalten, oder beim Umschalten in den Stromsparmodus gleichzeitig Programme beenden oder starten. Oder beim Einstöpseln des Kopfhörers automatisch den Musikplayer öffnen.
- Netzpriorisierung: Es soll Konstellationen geben, in denen man den verfügbaren Netzen eine bestimmte Nutzungsreihenfolge geben möchte. Beispielsweise zuerst der Hotspot, dann das WLAN „A“, danach WLAN „B“ und zum Schluss das 3G/4G-Netz. Bei WP8 verbindet sich das System einfach spontan mit jenem Netz, was gerade verfügbar ist.
- Tastatur: Microsoft hält es wie Apple. Die virtuelle Tastatur ist eingebunden in das Sicherheitskonzept des Systems und in diesem Fall fester Bestandteil des Windows-NT-Kernels. Sie kann durch keine andere Tastatur-App ausgetauscht und wegen den Sicherheitsrichtlinien nicht übergangen werden. Grundsätzlich ist die virtuelle Tastatur von WP8 durchdacht. Doch es gäbe hier und da viele Verbesserungsmöglichkeiten, welche durch das Konzept leider nicht möglich sind.
- Swype: Mit Symbian habe ich Swype kennen gelernt und muss sagen, dass die Eingabe über die Streichbewegung bedeutend schneller und vor allem intuitiver geht. Die Worterkennung von WP8 ist zwar nicht schlecht, aber der dauerhafte Wechsel zwischen Buchstabenfeld und Wortliste hält auf. Swype gibt es weder für WP8 noch für iOS. Schuld ist wieder einmal das Sicherheitskonzept der Anbieter. Doch man könnte Swype lizenzieren und direkt in das System integrieren.
- Email: Auch im Bereich Email-Kommunikation ist das Angebot derzeit künstlich beschränkt. Außer für Gmail und Yahoo gibt es keine offenen Schnittstellen zu POP3- und IMAP-Postfächern. Obwohl Windows Phone von Microsoft als das neue System für die mobile Unternehmenskommunikation präsentiert wird, verhindert der Konzern grenzfreie Effektivität im Arbeitsalltag. Bei IMAP wird der Push-Service (noch) nicht unterstützt und auch die Auswahl der zu synchronisierenden Ordner ist eher ein Suchspiel anstatt effektives Arbeiten. Ein weiteres Manko ist der Posteingang der Mail-App. Zwar lassen sich diverse Posteingänge zu einem einzigen kombinieren, jedoch sieht man in der Übersicht dann nicht mehr, von welchem Account die Email stammt.
- Kalender/Kontakte: CalDav und das ICS-Format sind für Nutzer von elektronischen Kalendern ein Begriff und gelten als Standard. Bei Microsoft sperrt man sich hingegen, den offenen Standard anzubieten. Statt dessen wird die Auswahl auf Exchange, Outlook .. und wen wundert es .. Google-Calendar begrenzt. Diese Beschränkung ist mit reiner Willkür zu erklären und Microsoft wäre gut geraten, die Schnittstelle für individuelle Server zu öffnen.
- Hintergrundprogramme: Prinzipiell gibt es bei Windows-Phone keine im Hintergrund aktiven Programme. Was nicht geöffnet ist, ist auch nicht im Speicher aktiv. Außer man hat eine Kachel auf den Startbildschirm gesetzt; dann kann die entsprechende App Daten senden, empfangen und verarbeiten. Kurzum, was durchdacht klingt, ist schlussendlich doch wieder verwirrend. Man hat keinen direkten Überblick darüber, welche App im Hintergrund läuft und Strom verbraucht.
- Schnellzugriffe: Bei diesem Thema hat Microsoft komplett gepennt. Man erreicht die Einstellmöglichkeiten für Bluetooth, Netze, WLAN und den Flugzeugmodus immer nur über Umwege. Zwar haben sich zwischenzeitlich viele Entwickler dieser Problematik angenommen und sogenannte Direktlinks (Shortcut-Tiles) entwickelt. Schöner wäre allerdings eine Art Control-Center wie es Apple mit dem neuen iOS7 eingeführt hat.
- Dateimanager: Unter Windows-Phone hat man nur sehr begrenzten Zugriff auf das Dateisystem. Was gut für die Sicherheit der persönlichen Daten und gut für das System selber ist, ist im täglichen Arbeitsalltag eine mittlere Katastrophe. Daten lassen sich nicht einfach in diversen Ordner organisieren oder gar verschieben. Denn Bilder liegen in einem anderen Systemordner wie Textdokumente und Videos. Auch ist eine Sicherung der App-Einstellungen komplett unmöglich.
Microsoft hat noch viel Arbeit vor sich, damit Windows-Phone ein echter Erfolg wird. Zu wünschen wäre es dem Konzern, denn das System ist grundsätzlich gut durchdacht und hat Potential als drittes großes Smartphone-OS. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. Dazu passt die neuste Vermutung, dass Microsoft an Samsung eine Milliarde Dollar „spenden“ möchte, sollte der koreanische Konzern weitere Windows-Phones entwickeln.
Davon abgesehen hat Microsoft viele Hausaufgaben zu erledigen. Das GDR3 (General Distribution Release) für Windows Phone 8 wird demnächst erwartet; spätestens im Frühjahr 2014. Für den Herbst 2014 hat Microsoft das WP8.1 angekündigt, welches dann Windows-RT in sich vereinigen soll. Und für Ende 2015 ist Windows-Phone-9 zu erwarten.