Leistungsschutzrecht für Optiker: keine Brillen übers Internet

Manche Geschichten sind derart kurios, dass sie wie ein Aprilscherz anmuten. Der Augenoptiker Klaus Nerlich aus dem schwäbischen Bad Saulgau hat eine Online-Petition ins Leben gerufen. Der Titel des Antrags, welcher an den Deutschen Bundestag gerichtet ist: Internet – Verbot des Online-Verkaufs von Korrektionsbrillen. Unterzeichnet wurde die Forderung von 1315 Unterstützern – höchstwahrscheinlich größtenteils alles Optiker. Die Begründung ist ebenso haarsträubend wie  lächerlich.

Wer im Internet eine Brille bestellt, kauft die Gesundheitsgefahr gleich mit, so der Gründer der Initiative Optiker Klaus Nerlich. Denn im Internet füllt man nur ein anonymes Formular aus, trägt seine persönlichen Messwerte ein und wartet dann auf die Brillenlieferung. Es erfolgt keine Überprüfung der Ware, keine Nachkorrektur und kein persönliches Betreuungsgespräch. Dies ist aber wohl genau das, was die Internet-Kunden sich wünschen. Meine ersten Kontaktlinsen habe ich auch nur zwangsweise beim Optiker gekauft. Ich war jedoch dauerhaft nicht gewillt, einen Aufschlag von ca. 50 Prozent zu zahlen, um ein örtliches Fachgeschäft finanziell zu unterstützen.

Das Geschäft mit den Brillen ist seit Jahren im Umbruch. Die großen Platzhirsche wie Fielmann oder Apollo besitzen zwar nur ca. 15 Prozent der Fachgeschäfte, erzielen aber über 35 Prozent des gesamten Branchenumsatzes. Die Kritik gegen die billige Konkurrenz war anfangs immens. Die damalige Kernaussage: wer einen günstigen Service anbietet, kann nur billige Qualität liefern. Dass dem nicht so ist, beweisen die großen Ketten mit ihren ansteigenden Umsätzen. Viele Kunden legen zudem keinen gesteigerten Wert auf ein Brillenmodell für 1000 Euro. Nach Jahren hat man die starke Konkurrenz notgedrungen akzeptiert.

Doch nun bedroht auch noch das Internet die Optikerbranche. Seit vielen Jahren kann man im Internet günstig Kontaktlinsen bestellen. Simpel, schnell und günstig. Man sucht sich die gewünschte Marke aus, wählt die persönlichen Werte und wartet ein paar Tage auf die Lieferung. Den Optiker braucht man nur am Anfang zur Vermessung oder wenn man das Gefühl hat, die Sehqualität hat sich stark verändert. Was bei Kontaktlinsen funktioniert, geht auch bei Brillen. Im Gegensatz zum verlorenen Geschäft mit den Linsen, schwillt jedem Optiker der Kam, wenn seine Kundschaft nun auch noch die Korrekturbrillen über das Internet bestellen möchte.

Die Internet-Konkurrenten heißen my-Spexx, Mister Spex oder Brille24. Die Angebote gleichen sich in Leistung und Umfang. Modell wählen, Online-Anprobe machen, persönliche Werte eingeben. Fertig. Selbst das Zurücksenden ist ganz einfach, sollte einem das Modell nicht gefallen oder das Gestell sich nicht an den Kopf anpassen wollen. Die Einsparungen sind enorm. Die Internet-Brillen kosten zwischen 40 und 100 Euro. Bei den Filialketten auch manchmal bis zu 200 Euro. Beim Optiker ist es jedoch immer bedeutend teurer. Auch das Wirtschaftsmagazin plus-minus der ARD kam zum Ergebnis, dass sich ein Brillenkauf im Internet auf alle Fälle lohnt. Und sollte das Internetmodell mal nicht wie gewünscht passen, ist es für 5 Euro beim Optiker korrigiert.

Die Apotheker des Landes haben es vorgemacht. Sie haben DocMorris das Geschäft mit den Billigapotheken per Gericht verbieten lassen. Und die Verlage des Landes haben vor kurzem ihr Leistungssschutzrecht in den Bundestag gebracht. Planwirtschaft nennt sich so etwas. Der Staat greift durch eine starke Regelung in die an sich offene Marktwirtschaft ein. Lobbygruppen sichern sich damit ihre Pfründe, ihre Existenz und ihre Rendite. Eine freie Preisbildung wird damit jedoch ebenso verhindert wie Innovationen und auch Investitionen.

Ich kann die Angst der Optiker verstehen. Sie arbeiteten über Jahrzehnte in einem abgeschotteten Markt mit wachsenden Ansprüchen der Kunden. Die Konkurrenz war überschaubar und hat sich keinen Verdrängungskampf geliefert. Ein Traum für jeden Unternehmer. Doch dann kamen die Discounter und jetzt auch noch das Internet. Sicherlich ist bei vielen die Existenz bedroht. Doch wer nur auf die Konkurrenz schimpft, hat wahrscheinlich selber etliche Entwicklungen verschlafen.

Dass man mal Schuhe übers Internet bestellen würde, damit hat vor fünf Jahren auch noch niemand gerechnet. Die Idee funktioniert sogar so gut, dass bereits viele lokale Schuhgeschäfte ums Überleben kämpfen. Und Orthopäden fallen wahrscheinlich reihenweise in Ohnmacht bei der Tatsache, dass der Kunde gleichzeitig der „beratende Verkäufer“ ist. Die Zehenkontrolle wird selber gemacht. Man kann die Entwicklung der Onlinebestellung positiv sehen oder verteufeln. Aufhalten kann man sie jedoch nicht – auch Optiker nicht. Das erkenne ich sogar ohne Brille.

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