Ich bekenne: ich bin ein Raubkopierer

User von Musiktauschbörsen sind keine Kriminelle, auch wenn die Musikindustrie zur medialen Abschreckung das sinnfreie Wort „Raubkopierer“ dazu eingeführt hat. Das Problem ist nicht das verschwundene Rechtsbewusstsein. Es ist vielmehr ein gesellschaftliches Problem. Musik war zu Jahrzehnten, ja sogar zu Jahrhunderten eine kostenlose Beigabe. Schon die alten Griechen und Ägypter zupften kostenfrei an ihren Musikinstrumenten, um die Gemeinschaft (auf Festen) bei Laune zu halten. Daher wird auf Volksfesten wird seit jeher Musik gespielt, ohne dass dafür je ein Groschen bezahlt werden musste. Die Sendungen im Radio kosten seit ebenso keinen Cent – außer von der deutschen GEZ-Gebühr einmal abgesehen. Im Internet finden sich eine Unzahl von frei empfangbaren Radio-Sendern. Wieso muss man also für einen MP3-Titel Geld ausgeben? Weil es geistiges Eigentum der Produzenten und Verlage ist? Ja – und nein.

Der Musik-Kunde
Der Begriff „Kunde“ in Verbindung mit Musik zeigt bereits den völlig falschen Ansatz. Wenn man Musik hört und eventuell auch genießt, ist man noch lange kein Kunde davon. Kunde ist man nur beim Händler, welcher die Titel in den Verkauf bringt. Doch Musik ist flüchtig. Was man heute mit Vorliebe hört, kann man eventuell bereits morgen für grottenschlecht halten. In alten Musiksammlungen zu stöbern ist etwas tolles. Alte Erinnerungen kommen zu tage, man schwärmt in den Anfängen seiner Jugend. Doch Musik ist ebenso von der Zeit geprägt wie Mode. Wer trägt heute noch gern orangene Schlaghosen aus Kord? Ebenso gering wird der Kreis der Hörer sein, welche tagtäglich sich die Songs von Rex Gildo oder Chris Roberts zu Gemüte führen.
Diverse Formate im Fernsehen haben dazu beigetragen, dass sich der Wandel zum Musik-Kunden beschleunigt hat. So galt für die ZDF-Hitparade oder die ARD-Sendung Formel-1 stets die Prämisse: was der Zuseher hier hört, wird er hoffentlich morgen im Plattenladen kaufen. Heute sind es die Video-Clips im Internet oder auf den einschlägigen Musiksendern. Über Jahrzehnte funktionierte diese Marketing-Maschinerie bestens. Doch die Gesellschaft ist im Wandel.
Ebenso irrational ist der Begriff „Musikindustrie“. Musik ist ein Medium für die Sinne, da ist die Industrie eigentlich fehl am Platze. Hingegen gibt es auch eine Sexindustrie. Ohne Industrie kann unser heutiges Leben also wohl nicht mehr existieren. Oder doch?

Das Geschäft mit der Musik verdirbt die Kunst
Dies ist keine Brandrede für den Abgesang der kostenpflichtigen Musik. Doch wenn man sich die Entwicklungen unserer Gesellschaft im Hinblick auf das Geschäft mit der Musik betrachtet, stellt man unweigerlich fest, dass die Qualität mit der zunehmenden Kommerzialisierung immer mehr abgenommen hat.
In den Anfängen der Industrialisierung war beim Produzieren und Spielen von Musik kein einträgliches Einkommen zu erlangen. Erst die heute großen Verlage (Sony BMG, Universal, EMI, Warner Music, u.a.) machten es zu einem kommerziellen Erfolg. Doch der Erfolg führte nicht automatisch zu einem besseren Verhältnis von Musiker zu Hörer.
Wenn eine Pop-Queen wie Madonna heute ein neues Album auf den Markt bringt, ist bereits im Vorfeld knallhart kalkuliert, wie viele Millionen Dollar damit zu erzielen sein müssen, damit der ganze Stab aus Produktion, Vermarktung und Verwaltung bezahlt werden kann. Und schließlich möchte die Pop-Queen – herself – das größte Stück vom Kunden, äh Kuchen. Wir reden hier nicht von ein paar Peanuts sondern von Dollars in Millionenhöhe. Da kommt es nicht von ungefähr, dass Wegelagerer und illegale Downloader von Musik dabei ins Kreuzfeuer der Musikproduzenten geraten. Dabei wird nicht selten das eigentliche Produkt und dessen Qualität zurückgestellt, um mit Unsummen rechtlich gegen solche Kaufverweigerer vorzugehen. Da darf man sich die Frage stellen, ob es vordergründig noch um das Produzieren von guter(!) Musik oder um den Erhalt eines großen und profitablen Unternehmens geht.

Hilfe, ich bin ein Raubkopierer
Es ist interessant und zugleich beängstigend zu beobachten, wie die Musiklobby alles unternimmt, um das illegale Tauschen mit Musik zu unterbinden. Dies reicht vom Vortäuschen falscher Tatsachen („Raubkopierer sind Verbrecher„) bis hin zur effektiven Beeinflussung von Politik und Medien.
Das private Tauschen von Musik ist allerdings kein Phänomen der Neuzeit. Bereits zu Zeiten der ersten Kassetten-Recorders wurde heftig von Freund(in) zu Freund(in) getauscht. Und wer hat nicht schon einmal Radiosendungen auf Tape aufgenommen. Dann kamen CDs und damit der Siegeszug der Digitalisierung. Kopieren war von da an nicht länger mit einer Qualitätsbeeinflussung verbunden. Im Prinzip ist die Industrie selbst schuld daran, dass sie dem Kunden dieses digitale Medium „geschenkt“ hat. Und als das MP3-Format den PC bevölkerte, gab es beim Tauschen von Musik kein Halten mehr.
Wer sich in einem Studentenwohnheim oder auf dem Schulhof umschaut, wird teilweise mit Erschrecken feststellen, wie viel Musik dort getauscht wird. Auf eine CD-ROM passen über 100 MP3-Songs in bester Qualität. Und in einem Computer-Netzwerk ist die Kapazität nur durch die Größe der eigenen Festplatte beschränkt. Viel wird getauscht, aber auch vieles wieder gelöscht. Denn Musik ist wie bereits erwähnt „modeabhängig“ und viele Titel sind es nicht wert, mehr als ein einziges Mal gehört zu werden.

Die Abschaffung des freien Tauschen und die Konsequenzen
Ginge es nach den Verlagen und vielen Produzenten sowie Künstlern, wäre jede Möglichkeit zum Tauschen bereits heute schon ausgeschlossen. Denn, so deren Rechnung, verlieren sie durch Tauschbörsen von Jahr zu Jahr mehrere Milliarden Euro bzw. Dollar an Einnahmen. Abschaffen lässt sich das Phänomen Tauschen allerdings nicht, weder technisch noch gesellschaftlich. Und werden die Benutzer von Tauschbörsen damit plötzlich zu reumütigen Käufern von Musik?
Tauschbörsen-User sind keine Hörverweiger von guter Musik, allerdings sind sie Kaufverweiger im besten Sinne. Sobald die Möglichkeiten zum freien und kostenlosen Tauschen gänzlich verboten und bestraft werden, werden die „Anti-Kunden“ nicht automatisch zum Kauf von Musik bewogen werden. Dies ist ein wichtiger Fakt, welcher die Musikindustrie gern unterschlägt bzw. ignoriert.

Problemlöser
Zwischenzeitlich haben die Verlage erkannt, dass das digitale Rechtemanagement (DRM) nicht zu größeren Einnahmen führt. Die Käufer waren nicht nur irritiert sondern auch verärgert über die Vorgaben, wo und wie oft sie ihr herunter geladenes Musikstück abspielen können und dürfen.
Doch muss ein MP3-Titel ein Euro oder gar mehr kosten? Eine komplette CD kostet per Download fast genauso viel wie eine handelsübliche CD im Laden. Radiohead hat es vorgemacht, und ihre neuen Titel kostenfrei zum Download bereit gestellt. Jeder konnte so viel dafür bezahlen, wie er bereit war. Viele haben sich das Album für Null Euro aus dem Internet gezogen, andere wiederum haben nach Belieben eine Summe X „gespendet“. Dies wird in diesem Segment nicht die letzte Aktion dieser Art gewesen sein. Denn nur wenn die Käufer bzw. Nichtzahler auch die Musik ihrer Lieblingsbands hören (können), werden sie bereit sein, die Lieblingsband weiter zu unterstützen. Wie bereits geschrieben: Musik ist etwas für die Sinne. Kommerz macht das Geschäft mit der Musik nicht besser. Im Gegenteil. Die Hörer sind eher bereit viele Euros für ein gutes Konzert auszugeben oder in andere Merchandising-Artikel zu investieren.

Liebe Musikindustrie, bedenkt mal wieder eure Beziehung zu euren Kunden. Das Melkvieh am Ende der Vermarktungskette ist nicht länger bereit, für jeden zweitklassigen Musiktitel viel Geld zu lassen. Künstler und Verlage haben nur dann etwas von von ihrer Musik, wenn sie auch gehört wird.

Please wait...

6 Kommentare

  1. Sorry aber das ist doch Bullshit. Es gibt noch genügend andere Güter die in den letzten Jahrtausend kostenlos zur Verfügung standen und heute selbstverständlich etwas kosten.

    Wer kein Geld für Musik ausgeben will, kann ja gerne auf kostenfreie Musik von Hobby Musiker zurückgreifen, die ihre Musik gerne umsonst zur Verfügung stellen.

    Aber die Leute wollen Qualität haben aber nicht dafür bezahlen. Bezahlen weil selbst beim Produkt mp3 kosten für Künstler und Label entstehen.

    Oder man begrenzt sich eben auf freie Radio sender usw.

    Aber den Leuten ist es doch einfach schei** Egal. Geiz ist geil und wer für etwas Bezahlt ist doch Blööd.

    Ich als Musiker stelle meine Musik gerne Leuten kostenlos Verfügung, wenn sie ihre (z.B. breuflichen) Fähigkeiten auch kostenlos der Gesellschaft zur Verfügung stellen.

    Der einzige Grund warum illigal gesaugt wird, ist und bleibt der Grund weil es Möglich ist. Da braucht man sich gar keine Ausreden und Entschuldigungen zu konstruieren!.

    Wer quailtative Musik höhren will, sollte einfach mal über den Tellerand schauen und nicht den Ast absägen auf dem die „Künstler“ sitzten. Besonders die nicht im Mainstream schwimmenden Musiker.

    Die kleinen Labels sterben wie die Fliegen und die große Majors konzentrieren sich immer mehr auf den risikolosen Mainstream Bereich.

    Je weniger Geld in Musik investiert wird, desto mehr Quantität setzt sich durch und die Qualität muss auf der Strecke bleiben.

  2. Bullshit?
    Wenn man Musik zu den Gütern zählt, beginnt doch schon die Problematik.
    Und ja, die Menschen ziehen sich die Musik (illegal), weil es möglich ist. Aber war es denn früher erlaubt, eine CD auf Tape zu überspielen, um sie an Freunde zu verschenken? Mittlerweile ist nur der Maßstab größer geworden; die Verhaltensweise ist immer noch die selbe.
    Und wie Sie selber schreiben, sind vielmehr die Verlage und Produzenten schuld an der Misere. Aber darin steckt doch genau das Problem. Musik mutiert zum Industrieprodukt, bei welchem nur noch der Ertrag im Vordergrund steht.

  3. hmmm.. also für platten habe ich immer gerne geld ausgegeben, für CDs irgendwie nicht mehr…. da kamen dann aber auch andere zeiten, wie einige von euch sicherlich ebenso feststellen konnten: industrialisiert und vermarktet.. New Kids On The bLOGG.. die erste boyband.. naja, wir wissen ja alle, wie es danach dann weiterging..

    ich glaube, das problem ist wirklich die herangehensweise an das ganze thema:

    früher haben sich halt platten „von selber“ so gut verkauft, weil entweder der zeitgeist getroffen wurde, oder die band entsprechend die menschen sonstwie angesprochen hat.. (der frühe BOWIE, LENNON, etc.)

    das waren auch irgendwie noch persönlichkeiten man gucke sich heute doch mal timberlake, madonna(leider, schade-schade..)etc.pp. an: bonkus..

    um den faden wieder aufzunehmen:

    jetzt geht es den konzernen (nur noch) um die kohle….

    DSDS.. ach grott, man kann gar nicht aufhören drüber zu schreiben.. ;))

    FAZIT (wird mal zeit!) :

    KAPITALISMUS in monokultur bringts eben doch nicht..

    wer hätte das gedacht….

  4. Volle Zustimmung.
    Es ist vordergründig ein Dilemma zwischen
    „die Musik gehört dem Künstler“ (letztendlich verdienen die Verwerter)
    und den neuen Möglichkeiten.
    Kopierte Musik ist letztendlich ein virtueller Schaden – einen direkten Schaden durch Verlust eines physischen Gegenstandes (z.B. Musik CD) gibt es beim p2p Musiksharen nicht.
    Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass Filesharing (zumindest für Musik) legalisiert werden sollte.
    Filesharing fördert den Bekanntheitsgrad der Musik – zumindest von guter Musik.
    Künstler wie Madonna machen mit einer Welttourneee 190 Millionen Umsatz. Nebenbei hat Madonna auch keinen klassischen Vertrag mit einem der Rechteverwerter.

  5. Es gibt überhaupt keine RAUBkopierer!

    Raub: Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (§249 StGB)

    Wo, wie und wann bedrohen Filesharer andere Personen? Das ist alles reinste Polemik der Musikindustrie und mehr als lächerlich.

  6. warum sollte dieses anti-raubkopie sache politisch geführt werden???der Bundesrat in der schweiz ist weiterhin dafür medien ohne zu zahlen aus dem internet runterzuladen. das gesetz blieb bis jetzt gleich…

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