Der K(r)ampf mit den digitalen Welten

Vor ein paar Jahren hat die Musikindustrie damit angefangen, massiv gegen sogenannte Raubkopierer juristisch vorzugehen. Dabei ist die Musikindustrie nicht die erste Branche, welche gegen ihre eigene Kundschaft klagt. Damit angefangen hat die Softwareindustrie, um das massenweise unerlaubte Kopieren und Verbreiten von Programmen und Betriebssystemen zu unterbinden.

Erst vor wenigen Tagen hat die Musikindustrie bekannt gegeben, dass man in diesem Jahr wieder verstärkt gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen wird. Die Abmahnanwälte werden demnach wieder mehr Arbeit bekommen. Eine unwesentliche Info an dieser Stelle: die Musikindustrie hat erstmal im Jahr 2008 wieder mehr Umsatz gemacht.

Microsoft hat sich in seinen früheren Jahren sehr clever verhalten. Man hat das unerlaubte Kopieren der Windows-Betriebssysteme nicht unterbunden aber auch nicht sonderlich erschwert. Nur so konnte sich Windows (in all seinen bisherigen Ausführungen) so massiv verbreiten. Seit Windows XP und erst recht mit Vista hat Microsoft das Vorgehen stark verschärft. Man macht es mittlerweile den illegalen Benutzern schwerer denn je, ohne gültigen Lizenzschlüssel die neuen Windows-Versionen nutzen zu können.

Die digitale Welt ist für die Industrie wie der Himmel und die Hölle zugleich. Nur durch die Digitalisierung ist es eines ganzen Industriezweiges gelungen, derart massiv und schnell zu wachsen. Denn eine digitale Kopie kostet nur einen Bruchteil dessen, was eine natürliche bzw. reelle Ware kosten würde. Dabei sind die Personalkosten außen vorgelassen.
Doch so schön und günstig die digitalen Werke auch sein mögen, sie lassen sich stets problemlos 1:1 kopieren und somit verbreiten. Was die Industrie in großen Kopierwerken produziert, kann auch jede Privatperson – wenngleich nicht unter den selben gesetzlichen Voraussetzungen. Und so ist es möglich, dass bspw. ein neues Album von Madonna millionenfach unter Privatpersonen kopiert wird, ohne dass der Verlag dabei einen einzigen Cent verdient. Mit Softwareprogrammen verhält es sich nicht anders.

Klar dass die Industrie auf diese Selbstbedienungsmentalität sauer reagiert. Doch die Konzerne werden mit ihren selbst entwickelten Waffen geschlagen: den digitalen Kopien. Für die Musik hat die Industrie die leicht kopierbare CD-ROM entworfen und bei Software ist eh alles kopierbar, was den Weg auf die eigene Festplatte geschafft hat.
So schnell geben sich die Manager dieser relativ neuen Branche nicht geschlagen. Man entwickelte eine Gegenwaffe: DRM – Digital Rights Management. Damit war es der Content-Industrie plötzlich möglich, den digitalen Werken sogenannte „Fußfesseln“ anzulegen. Ein per DRM geschütztes Werk kann nur dann abgespielt oder genutzt werden, wenn der darin integrierte Schlüssel überprüft wurde und die Lizenz gültig ist. Für die Überprüfung gibt es verschiedene Wege; die häufigste Art ist eine direkte Kontrolle über das Internet.

DRM hat einen entscheidenen Nachteil für den Konsumenten: ein Lied, ein Video oder eine Software lassen sich nur dort abspielen oder installieren, wo sie das erste Mal den Weg auf den Speicher gefunden haben. Vorbei sind die Zeiten, dass man seinen Lieblingssong auf dem PC und nebenbei auf dem MP3-Player hören konnte. Hierfür sind jeweils eigentständige Lizenzen notwendig, was schlussendlich immer extra Geld kostet. DRM hat allerdings noch einen zweiten Negativfaktor: die Technik ist kompliziert, nicht formatübergreifend und teuer. Dies alles akzeptiert der geneigte Kunde äußerst ungern. Schließlich möchte er auf möglichst einfache Art und Weise sein gekauftes Produkt genießen und nutzen.

Die Musikindustrie hat in den letzten 10 Jahren viel Lehrgeld bezahlen müssen. Denn sie war federführend bei DRM und anderen Kopierschutzmechanismen. Man hat relativ spät bemerkt, dass die Kunden dadurch verstärkt auf die illegalen Wege ausgewichen sind. Denn dort gab und gibt es die Werke immer noch ohne digitalen Fußfesseln. Erst seit ca. einem Jahr überbieten sich die Labels mit den Ankündigungen, dass man das ganze Musik- und Filmarchiv ohne DRM anbieten wird. Späte Einsicht.

Den selben Fehler wiederholt dieser Tage allerdings der Printbereich. E-Books sind der neue Hoffnungsträger im sinkenden Zeitungs- und Büchermarkt. Mit den digitalen Büchern erhofft sich die Branche, wieder größere Umsätze machen zu können. Denn schließlich sind digitale Bücher ein echter technischer Fortschritt; da gehen die Meinungen mit echten „Bücherwürmern“  weit auseinander. Die Printindustrie hat allerdings große Angst, dass die digitalen Werke den selben illegalen Weg zu den Kunden finden, wie dies bereits bei MP3 und Videos der Fall ist. Der Ausweg und vermeindliche Eigenschutz: DRM.

Ich gebe selten Prognosen ab, aber ich behaupte, dass es der Printindustrie identisch ergehen wird wie der Musikindustrie. Man wird an den eigenen DRM-geschützten Werken verhungern. Der Kunde wird auch bei digitalen Büchern nicht verstehen und Einsicht beweisen, dass er das Buch X nur ein einziges Mal auf dem Gerät Y aufspielen und lesen darf. Auch schwebt ständig die Angst im Nacken, dass der Anbieter/Verleger irgendwann vom Markt verschwinden könnte und damit alle DRM-Überprüfungs- und Freigabeinstanzen schließen könnten. Damit würden seine gekauften und per  DRM-geschützten Bücher von heute auf morgen nutzlos werden; denn eine erneute Schlüsselfreigabe wäre nicht mehr möglich. Wer wirft schon gern freiwillig Geld zum Fenster hinaus.

Die Industrie hat ein Problem: die digitale Kopie. Gern gibt man dem Kunden den Vorteil der digitalen Werke weiter. Doch andererseits hat man imense Angst, dass die Umsätze durch illegale Kopien ins Bodenlose fallen könnten. DRM ist dabei keine Lösung. Doch leider verhält sich die gesamte Industrie derart unkreativ, dass man schon fast Absicht unterstellen kann.
Statt nach neuen Einnahmequellen und anderen Verbreitungsformen zu suchen, hängt sie an altgestrigen Denkmustern fest. Was früher in der analogen Welt prima für guten Umsatz gesorgt hat, muss auch in der digitalen Welt von heute funktionieren. Doch dem ist leider nicht so.
Die Kunden haben sich bereits zu einem Großteil vom dem Gedanken verabschiedet, dass eine digitale Kopie eines Werkes überhaupt etwas kosten muss. Man kann nur spekulieren und analysieren, was die Gründe für dieses Verhalten sind. Doch realistisch gesehen, ist der Grund für diese Veränderung absolut zweitrangig. Solch eine gesellschaftliche Entwicklung lässt sich ab einem gewissen Grad der Verbreitung nicht mehr rückgängig machen.

Wir werden noch etliche Jahre erleben, in denen die Content-Industrie versuchen wird, rechtlich, juristisch und mit „Waffengewalt“ (DRM) gegen die eigene Kundschaft zu arbeiten. Doch irgendwann wird man auch in den jungen(!?) Führungsetagen der Verlage und Labels erkennen, dass man andere Wege zum Geldverdienen einschlagen muss. Schließlich möchte man mit den Kunden Geld verdienen und sie nicht auf Dauer vollends verlieren.

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