E10: Deutschland einig Autoland

Autofahrer kennen dieser Tage nur ein Thema, welches sie kurz ausgedrückt „E10“ nennen. Es handelt sich dabei um den neu eingeführten Biokraftstoff E10, welchem 10 Prozent Bioethanol beigemischt sind. Doch E10 erregt den kollektiven Protest der Autofahrerflotte. Keiner möchte es tanken, weil viele Fahrzeuge den neuen Kraftstoff angeblich nicht vertragen. Wenn es um die korrodierenden Stahlkutschen geht, kennen die Deutschen keinen Spaß. Daher gibt es jetzt am Dienstag auch einen Benzin-Gipfel.

Ein Benzin-Gipfel. Das klingt fast nach einem Kalauer auf einer Karnevalsitzung. Sitzen bei diesem Gipfel die Mineralölkonzerne zusammen mit den Automobilherstellern an einem Tisch und diskutieren darüber, ob man die Bevölkerung hätte vielleicht früher über den Umstieg informieren sollen? Oder wird zusammen mit unserem Bundeswirtschaftsminister Brüderle darüber debattiert, wie man das E10-Fiasko dennoch verkauft bekommt? Fest steht, dass die Einführung ziemlich vergeigt wurde. Entweder hat sich jeder auf den anderen verlassen, oder keiner hat sich getraut, der erste zu sein.

Der Zeit des Umstiegs war schon lange bekannt. Die wenigen Informationen über E10 sind schnell erzählt. Man hätte es vielleicht nur öfters erwähnen sollen. Und man hatte wohl auch die Bevölkerung unterschätzt. Obwohl 93 Prozent aller Automobiltypen das neue E10 vertragen, ist der Verbraucher skeptisch und tankt es lieber nicht. Denn es reichen die paar Bekannten die man kennt, bei denen es Probleme gegeben hat. Die Presse tut dazu ihr übrigens, den E10-Kraftstoff mies zu reden. Da spricht man von großen Problemen, von der mangelnden Umweltverträglichkeit sowie dem höheren Verbrauch. Wenn man es negativ reden möchte, finden sich immer genügend Gründe. Doch nüchtern betrachtet, entpuppt sich keines der Argumente als schnell entflammbar.

  • ca. 90 Prozent aller Autoklassen können mit E10 betankt werden
  • vorher waren 5 Prozent Ethanol beigemischt, nun sind es 10 Prozent
  • der Verbrauch steigt unter Umständen um bis zu 1,5 Prozent
  • in vielen Ländern wird E10 (oder höher) seit Jahren erfolgreich eingesetzt

Die meisten Journalisten sollten zuerst einmal den etwas längeren Wikipedia-Eintrag zu Bioethanol lesen, bevor sie demnächst wieder Unsinn über diesen Kraftstoff verbreiten. Ich beginne mit der Verbreitung in anderen Ländern. Brasilien ist hier als Musterbeispiel zu nennen. Dort wird seit Jahren erfolgreich und völlig problemlos das Benzin-Ethanol-Gemisch verkauft. Vor über 30 Jahren wurde in Brasilien bereits der erste Ethanol-Kraftstoff verkauft. Und jetzt kommt das gar Unfassbare. In Brasilien kommt nicht wie hierzulande E10 zum Einsatz. Nein, in Brasilien wird meist E20 oder gar E25 verkauft. Dies bedeutet, dass dem Benzin bis zu 25 Prozent Ethanol beigemischt sind. Wenn man nun glauben mag, dass dort die Autos reihenweise kaputt gehen, der irrt.
Auch in den  USA wird bereits fleissig Bioethanol verkauft. So gibt es dort unter anderem auch E85; dies heißt ein Kraftstoff mit 85 Prozent Ethanolgehalt. Auch aus den USA hört man keine großen Probleme. In Europa wurde ab den 1980er-Jahren damit begonnen, dem Benzinkraftstoff „heimlich“ Bioethanol beizumischen. Seit Jahren liegt der Ethanolanteil stabil bei 5 Prozent. Daher heißt der meistverkaufte Kraftstoff derzeit auch schlichtweg E5.

Doch jetzt wo der Ethanolanteil verdoppelt werden soll, muckt der deutsche Verbraucher plötzlich auf. Und auch nur, weil ihm der Unterschied an der Zapfsäule bewusst wird. Der höhere Ethanolwert führt zu einer höheren Unverträglichkeit bei alten Autos. Aus diesem Grunde sind die Tankstellenbetreiber dazu verpflichtet, neben dem neuen E10 auch den „normalen“ Super-Kraftstoff anzubieten. Die ganze Verwirrung und auch die Kaufverweigerung müsste nicht sein, hätten die Mineralölkonzerne dieses Durcheinander nicht zusätzlich vergrößerst.

Wer an eine deutsche Tankstelle fährt, muss fast in einer kleinen Spritbibel nachschlagen, was er denn nun tanken kann und darf: Benzin, Super-E5, Super-E10, SuperPlus, Shell FuelSave, V-Power, V-Power-Racing, Aral Ultimate 102, Total Excelium SuperPlus, Diesel, FuelSave Diesel, VPower Diesel, Aral Ultimate Diesel.
Es verwundert nicht sonderlich, dass der Tankgast überfordert ist. Doch genau dies ist die Strategie der Marketingabteilungen der Mineralölkonzerne. Der Kunde soll am besten den teuersten Kraftstoff kaufen, jener der mehr Leistung bringt und den Motor länger leben lässt. Das neue E10 kommt da noch als Krönchen oben drauf. An einer normalen Zapfsäule hat der Kunde nun die Wahl zwischen drei, vier oder schlimmstenfalls fünf Sorten. Da man nichts Gutes über E10 liest und hört, kauft man lieber das Altbewährte.

Ich muss wieder an meinen Urlaub in Brasilien denken. Kein Mensch hat über die Frage des Kraftstoffs diskutiert. Es gab auch nur drei Sorten: Benzin mit 5 Prozent Ethanol, Benzin mit 25 Prozent Ethanol und Diesel. Das war einfach und transparent. Unser Mietwagen fuhr mit beiden Benzinsorten ebenso flott. Der E25-Sprit roch beim Tanken nur sehr süßlich und stark nach Alkohol.

Und hier in Deutschland? Da schlägt die Einführung von E10 meterhohe Wellen. In manchen Dingen hat der Deutsche schon einen besonders großen Knall. Er lässt sich lieber von bunten Werbeversprechen blenden und tankt aus Liebe zum Auto „V-UltraMaxPower“-SuperPlus mit 200-Oktan. Da kann so ein Öko-Biosprit ja nur für Abneigung sorgen. Und schlecht für den teuren Motor muss(!) dieser Ethanolquatsch ja zudem sein. Sagt die Presse – und falsch interpretiert auch ein BMW-Ingenieur.

Ach übrigens: wenn die Milchbauern wegen zu geringer Einnahmen mal wieder Milch auf die Straße kippen, gibt es dann einen Milch-Gipfel im Bundeswirtschaftsministerium? Oder sagt man sich da: Ist doch egal, es geht ja nicht um unsere liebste Sorge, das Auto.

Please wait...

Ein Kommentar

  1. Warum machen sich alle nur Sorgen um ihr Auto??? Menschen in Lateinamerika hungern wegen diesem Scheiß! Der Preis für Tortillas in Mexiko ist um 100% gestiegen!! Das kann sich bald der Großteil der Bevölkerung nicht mehr leisten…

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