Beim Bier ist Hopfen und Malz verloren (gegangen)

Der Deutsche trinkt gerne und viel Bier. Zuletzt waren es immer noch weit über 100 Liter pro Jahr. Doch der Verbrauch sinkt – von Jahr zu Jahr. Der Preis für eine Flasche Bier kann nicht Schuld daran sein. Denn in Deutschland dominiert das Billigbier. Konsumenten können in einem Blindtest so gut wie keine Unterschiede ausmachen, da die Biere sich untereinander kaum mehr unterscheiden. Der Markt wird zwischenzeitlich von ein paar wenigen Brauereikonzernen beherrscht, welche auch den globalen Geschmack vorgeben. Bier war mal ein ehrenwertes Lebensmittel, welches nach dem Deutschem Reinheitsgebot von 1516 nur aus Gerste, Hopfen und Wasser hergestellt werden darf. Dies war vor fast 500 Jahren.

Bei der industriellen Großproduktion sind heutzutage ganz andere Inhaltsstoffe maßgebend: Hopfenpellets, Hopfenextrakt, Polyvinylpolypyrrolidone oder Farbebier. Naturhopfen wird kaum mehr in der Produktion verwendet, da er aufwendig und kostspielig ist. Dagegen ist das harzige Hopfenextrakt leicht zu handhaben und ergibt eine kontinuierlich gleiche Qualität und gleichbleibenden Geschmack. Polyvinylpolypyrrolidone (PVPP) ist ein chemisches Additiv. PVPP wird während der Lagerung zur Stabilisierung hinzu gefügt und später bei der Filterung wieder entfernt. Farbebier hingegen ist einfach nur ein natürlicher Farbstoff. Damit kann ein Braumeister aus einem Sud zwei verschiedene Sorten herstellen: einmal helles Bier (bspw. Pils) und einmal dunkles Bier (bspw. Schwarzbier).

Für die Großproduktion sind jedoch noch andere Vorgaben wichtig. Der Einsatz von weniger Hopfen bedeutet, dass die Produktionskosten gering gehalten werden können. Weniger Hopfen bedeutet aber auch, dass im Endprodukt weniger Stammwürze enthalten ist. Industriebier hat eine Stammwürze von ca. 11,5 Prozent und ca. 30 Bittereinheiten (Hopfen). Ein gutes Vollbier erreicht jedoch eine Stammwürze von bis zu 16 Prozent. Wenig Stammwürze hat einen leichteren bzw. geringeren Geschmack zur Folge. Auch eine verkürzte Lagerzeit (um ca. 2 Wochen) senkt die Produktionskosten. Aber auch hier leidet der Geschmack darunter. Industriebier wird zudem stärker gefiltert, was ebenfalls zu Lasten des Geschmacks geht.

In der Bierbranche hat in den letzten Jahrzehnten ein gnadenloser Verdrängungwettkampf statt gefunden. Große Konzerne wie Anheuser-Busch oder Dr. Oetker dominieren mittlerweile den Großteil der Branche. Anheuser-Busch Inbev produziert neben Budweiser noch 200 weitere Biermarken wie Hasseröder, Diebels, Spatenbräu, Franziskaner, Löwenbräu und Becks. Der zweite Globalplayer ist die Radeberger Gruppe, welche zum Dr. Oekter Konzern gehört. Hier produziert man unter anderem Schöfferhofer Weizen, Clausthaler, Sternburg, Stuttgarter Hofbräu, Jever, Hansa, Radeberger, Schultheiss, Berliner Kindl, Gilden oder Meisterbräu.


Copy: ZDFzoom Reportage „Hopfen und Malz verloren“

Dem Verbraucher gaukelt man durch die Vielzahl der Marken eine Vielfalt vor, welche bei der Produktion schon lange nicht mehr existiert. Gleicher Konzern führt zu ähnlichen Produktionsvorgaben und dies führt unweigerlich zu ähnlichen Produkten mit ähnlichem Geschmack. Die Werbung suggeriert uns friesisch-herbes oder urig-würziges Bier und vermittelt den Eindruck von Einmaligkeit. Eine sensorische Prüfung zeigt jedoch nur marginale Unterschiede.
Die großen Konzerne geben den Trend vor und fast alle kleinen Brauereien folgen dieser Richtung. In Deutschland wagt sich kaum ein Braumeister mehr zu Experimenten, zu speziellen Bieren mit besonderem Geschmack. Der möglichst einheitliche Geschmack ist das Ziel aller Brauereien. Doch genau in diesem Einheitsbrei werden auch noch die letzten, verbliebenen Brauereien untergehen.

Deutschland das Land der Biertrinker und der vielen Brauereien. Dies war einmal. In den letzten 20 Jahren sank die Zahl der mittelständischen Brauereien von 670 auf knapp 400. Viele wurden aufgekauft oder ganz geschlossen. In einem Land, von dem man es nicht vermuten würde, stieg im selben Zeitraum die Vielfalt extrem: die USA. Dort stieg die Zahl der mittelständische Brauereien von 530 auf über 2000. In den USA hat man bereits seit Jahren erkannt, dass man mit Einheitsbier nur als Großkonzern überleben kann. Die kleinen Brauereien setzen auf den individuellen Geschmack und das Besondere.

Am 6. Juni lief die ZDFzoom Reportage „Hopfen und Malz verloren“ (über die Mediathek abrufbar). Daraus stammt ein Großteil dieser Informationen. Für Bierliebhaber ist diese Reportage ein Muss. Es ist mal wieder bei jedem Lebensmittel: in der großen Masse geht die Qualität unter. Aufklärung ist auch beim Bierkonsum nötig, da viele immer noch an das alte Produktionsversprechen „Hopfen und Malz“ glauben.

Abschließend stellt sich die Frage, wann in Deutschland der Trend vom billigen Einheitsbier gestoppt wird. Zum einen ist es ganz klar die Schuld des Verbrauchers, der den Rausch für 50 Cent (pro Flasche) vorzieht. Zum anderen sind jedoch auch die kleinen und mittelständisches Brauereien Schuld an der Lage, da sie sich dem globalen Trend folgen anstatt auf Exklusivität zu b(r)auen.

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11 Kommentare

  1. Tja, mir ist schon lange der Appetit auf das Einheitsbier vergangen. Ich schaue beim Kaufen immer auf die Zutaten und wenn dort etwas von Hopfenextrakt steht, lasse ich es sein. Es gibt zum Glück immer eine (wenn auch kleine) Alternative. Meist sind es kleine Brauereien aus der Region. Prost Allerseits.

  2. Bier wird mit Wasser hergestellt, aber mit welchem. Es gibt praktisch keine Großbrauerei, die keine Wasseraufbereitungsanlage zur Enthärtung und anschließender Demineralisation betreibt. Das dadurch erzeugte Destillat saugt gierig die Inhaltsstoffe der Zutaten auf und spart diese entsprechend. Vergleicht mal die Etiketten: Wasser, Brunnenwasser, Brauwasser, alles mögliche wird dort deklariert. Manche Biertrinker klagen über Bauchspeicheldrüsenentzündungen, woher diese wohl kommen?

  3. Kleine und Mittelständische Brauereien graben sich ihr eigenes Grab indem sie ihr ehemals Würziges und aromatisches Bier durch Anwendung von Hopfenextrakt
    in den Bereich billiger Chemiebiere katapultieren. Der Konsum dieser Biere geht drastisch zurück und die Brauereien können noch nicht einmal einen Bezug zu ihrem Minderwertigem Bier herstellen, selbst drastische Preissenkungen werden sie auf lange Sicht nicht retten können

  4. An alle Brauer dieses Landes !
    ist es ein Unterschied ob eine Rindsbouillon aus einem Maggiwürfel gemacht wird oder aus einem guten Stück Rindfleisch??
    Dann übertragen Sie diese Erkenntnis mal auf den Geschmack von Bier mit Hopfenextrakt !!

  5. Für wen oder was wird gebraut ? Für 1 % der Aktionäre oder für 99 % der Biertrinker ??
    Diese Braukunst ist nicht WM-Reif, eher Kreisliga, denn Hopfenextrakt soll nur die Gewinnspanne erhöhen, aber nicht den Geschmack. Geld können wir weder essen noch trinken, daher die Forderung nach einem neuen Lebensmittel-Gesetz :
    Wer Lebensmittel nachmacht, verfälscht, oder sie von ihrem Ursprung her mit Hilfe von Gen – oder Chemie verändert oder nachgemachte und verfälschte sich verschafft und in Verkehr bringt wird mit Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren bestraft !

  6. Über 65 Jahre war ich Biertrinker, muß mich jetzt leider vom Gerstensaft verabschieden. Bekomme vom Hopfenextrakt massieve Darmprobleme. Durchfall ist noch das Angenehmste dabei. Trotzdem soll das Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut sein. Na danke!!

  7. Vielleicht setzt ja langsam ein Umdenken bei den Brauereien ein. Zumindest bei Jever ist Hopenextrakt von der Zutatenliste verschwunden. Prost!

  8. Becksfan undCartman igr seid Naivlinge und Konsumopfer der schlimmsten Sorte. Dann informiert euch mal was sonst noch in eurer Lieblingsplörre rumschwimmt.

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