Bahnfahren könnte prinzipiell eine sehr entspannte Angelegenheit sein. Wäre da nicht der Berliner Hauptbahnhof und das derzeit doch recht stürmische Winterwetter. Bei der Deutschen Bahn herrschen für Berlin derzeit bunte Chaostage, und dies nur weil das Gebäude des Hauptbahnhofes keine starken Windböen verträgt.
Von Hannover nach Berlin
Am Sonntag, 21.01. ging es für mich von meinem Kurztrip am Wochenende zurück nach Berlin. In Hannover packte mich kurzzeitig die Panik, weil der Anschlusszug laut Anzeige 30 Minuten Verspätung hatte. Im Zug merkte ich allerdings, dass dies einfach nur ein verspäteter ICE nach Berlin war. Mein eigentlicher Anschluss fuhr erst danach – vom selben Gleis. Egal. Hauptsache nach Berlin.
Zwischenstory – der Anfang
Kaum unterwegs nach Berlin, sitzt eine fremde Frau neben mir. Egal. Ich lese weiter. Dann, durch mein Kopfhörer hindurch, quakt sie mich an, ob der Zug in Wolfsburg hält. Wolfsburg? Nein, es geht non-stop nach Berlin. Pech! Auch bei der Bahn muss man lesen (können). Zu der Dame später mehr.
Unterwegs nach Berlin
Wir fahren mit den üblichen 250 km/h gen Berlin. Ca. 30 Minuten vor der Bundeshauptstadt kommt die Durchsage: „Wegen Windstärke 8 ist der Hauptbahnhof Berlin geschlossen. Wir halten in Spandau und fahren dann direkt nach Ostbahnhof.“ Ein leises Schmunzeln macht sich bei den Passagieren breit und man kann in vielen Gesichtern die stille Ironie lesen: „Neuer Hauptbahnhof, wir lieben dich. Ein excellentes Bauwerk erster Güte.“
Kurz vor Spandau
5 Minuten vor Spandau ändert sich die Lage erneut. Der Zugchef funkt durch die Waggons: „Wir fahren nun doch zum Hauptbahnhof und dann weiter zum Ostbahnhof.“ Na prima denken sich alle. Alles wie gehabt. Der Zug bewegt sich weiter auf den Bahnhof Spandau zu. Viele sind irritiert und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Aussteigen? Weiterfahren? Das Zugpersonal penetrieren? Der ICE hält. Im Spandauer Bahnhof herrscht wieder einmal hoffnungsloses Chaos. Ich beschließe weiter zu fahren und mich nicht in das „bunte Treiben“ zu stürzen. Meine fremde Dame (nach Wolfsburg) folgt meinem Rat.
Weiter zum Hauptbahnhof
So schnell geht es dann doch nicht. Schließlich ist der ganze Fahrplan rund um Berlin durcheinander geraten. Während wir noch im Bahnhof stehen kommt die nächste Durchsage und somit die dritte Änderung: „Wir fahren zum Hauptbahnhof und dann zum Südkreuz. Wir fahren nicht zum Ostbahnhof.“ Die Stimmung im Zug kippt. Eine Mischung aus Frustration und Ärger macht sich breit. Ich beschließe wieder, sitzen zu bleiben, denn je weiter ich dem Zentrum kommen kann um so besser.
Nach ca. 20 Minuten Aufenthalt geht es endlich weiter. Wir fahren im Hauptbahnhof ein – unten im Keller in der sogenannten Kathedrale. Sie ist menschenleer und es ist beängstigend leise. Unser ICE ist der einzige Zug im gesamten Bahnhof. Normalerweise tobt hier das volle Leben. Wir werden über eine Seitentreppe zu einem Seitenausgang geleitet.
Berlin hat mich wieder. Fast.
Oben angekommen stehen wir vor der nächsten Frage: wie kommt man nun zum Zoologischen Garten. Mit der S-Bahn wären es läppische zwei Stationen. Ein einfaches Umsteigen im Hauptbahnhof samt Fahrt mit der S-Bahn hätte maximal 10 Minuten gedauert. Der Bus 245 soll uns dort hinbringen, lautet die schnörrische Auskunft eines BVG-Mitarbeiter, der weder Lust noch Laune hat, in der Kälte gleichbleibende Antworten zu geben. Allerdings wurde nicht erwähnt, dass der Bus an ca. 20 Stationen hält und dazu ca. 25 Minuten Fahrzeit benötigt. Der Frustpegel steigt abermals und die fremde Dame, welche sich immer noch in meinem Schlepptau befindet, hat wohl innerlich völlig kapituliert. Einziger Kommentar: „Berlin ist aber groß.“
Zwischenstory – das Ende
Am Zoologischen Garten angekommen suche ich für mein „fremdes Anhängsel“ am Automaten die nächste Verbindung nach Wolfsburg. Die eine Verbindung ist vor 2 Minuten abgefahren, die nächste geht erst in 90 Minuten. Sie muss dazu allerdings wieder zurück nach Spandau. Bingo! Ich frage sie, ob sie nicht hier sofort ein Karte kaufen möchte. Die Antwort und damit der Brüller des Abends: „Ich habe kein Geld dabei. Ich kaufe die Karte einfach im Zug – auf Rechnung.“ Ich setze die gute Frau in die nächste S-Bahn Richtung Spandau und sehe damit meine Hilfe als erledigt an.
Ich selbst steige in die U-Bahn und fahre zu mir nach hause. Der Tag ist gelaufen.
Wind + Hauptbahnhof = Chaos
Die Bahn kann nichts für das Wetter. Sie kann auch nichts dafür, dass von ihrem Protzbau die Fassade abbröckelt. Dies ist einzig und allein das Problem der Baufirma. Die Sache ist trotz allem peinlich genug.
Die Bahn kann allerdings etwas für ihr eigenes Chaos. Die Leitzentralen wissen selbst am besten, wo was wie lange gesperrt ist. Auch sollten die Leitzentralen in der Lage sein, vernünftige und konsequente Entscheidungen zu treffen.
Alles unter Kontrolle? Wohl kaum!
Wieso man einen Zug in den Hauptbahnhof leitet, von wo man aus keinen einzigen Anschluss hat, bleibt mir bis dato rätselhaft. Es ist darüber hinaus frustrierend, wenn man innerhalb von 20 Minuten drei verschiedene Streckenführungen zu hören bekommt. Erst geht es direkt zum Ostbahnhof, dann geht es via Hauptbahnhof zum Ostbahnhof und am Schluss schickt man die Fahrgäste zum Südkreuz via Halt im verlassenen Hauptbahnhof – ohne Ostbahnhof.
Wenn die Bahn in dieser Lage behauptet, sie hätte das Chaos mal wieder prima gemeistert, dann kann ich nur sagen: Schande über die Deutsche Bahn und ihr Management. Eine gute Krisenbewältigung sieht für mich anders aus.
PS: Es soll in den nächsten Tagen Schneefall geben. Ich hoffe stark, dass wenigstens das Glasdach den Belastungen stand hält.