Jeden Morgen, Punkt 9:00 Uhr veröffentlicht media control die Einschaltquoten der Fernsehsendungen vom Vortag. Diese tägliche TV-Quote ist für alle Sender die sinnbildliche Dosis Heroin, um der Sucht nach den Zuschauerzahlen zu entgegnen. Sehr trefflich wird diese Stimmung in der TV-Branche im Film Late Show gezeigt, in welchem Harald Schmidt einen aufgekratzten Programmdirektor des Senders „Tele C“ spielt und allmorgendlich auf die TV-Quoten wartet.
Von den Messwerten der Firma media control hängt das Wohlergehen einer ganzen Branche ab. Erzielt eine TV-Sendung nicht die erwarteten Quoten, wird sie zum nächstmöglichen Termin abgesetzt. Bei den privaten TV-Anstalten ist der Druck, welcher hinter den Zuschauerzahlen liegt, weitaus prägnanter und kritischer ausgeprägt, als dies bei den Öffentlich-Rechtlichen der Fall ist. Anhand der Zuschauerzahlen orientiert sich die Werbeindustrie an den Sekundenpreisen für die Werbespots. Je weniger Menschen eine Sendung zur geplanten Sendezeit anschauen, desto weniger Einnahmen sind bei der Ausstrahlung der Werbung zu erwarten. Den Sendern liegt daher viel daran, möglichste hohe Einschaltquoten zu erzielen.
Doch bei der Errechnung bzw. Messung der TV-Quoten tun sich ein paar Probleme auf. In insgesamt nur 5.640 sogenannten Panel-Haushalten werden die Einschaltzeiten gemessen. Diese 5.640 Haushalte werden dann hochgerechnet auf die ca. 40 Millionen Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland hoch. Aus 0,14 Promille der Haushalte bilden sich die Einschaltquoten. Statistisch gesehen ist dies pure Heuchelei vor der Mathematik. Doch die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) schwört auf ihre Messmethoden und so veröffentlicht auch weiterhin media control im Auftrag der AGF diese statisch wertlosen Einschaltquoten.
Doch nicht nur bei der Grundlage der „Messobjekte“ spielt man sich bei media control etwas vor. Auch bei der werberelevanten Zielgruppe orientiert man sich an alten Zöpfen und seidenen Halbwahrheiten. Die Einschaltquoten werden stets aufgeteilt in zwei Gruppen angegeben: die 14- bis 49-Jährigen und die 3- bis 49-Jährigen. Die zweite Gruppe mit dem Personenkreis aus Baby bis Fünfziger zeigt „natürlich“ stets den höheren Wert. Doch, und so schlau ist selbst die Werbeindustrie, bildet die erste Gruppe der 14- bis 49-Jährigen die tatsächlich werberelevante Zielgruppe. Doch wo tauchen die Personen mit 50 und mehr Jahren auf? Sind die nicht werberelevant? Rentner, welche kein Geld haben und somit von der Werbeindustrie links liegen gelassen werden? Ja, so tickt unsere Medienindustrie: auf dem linken Auge blind auf dem rechten Ohr taub. Auch dass ein Kleinkind nach 20 Uhr noch vor dem Fernseher sitzt, ist allerhöchstens als theoretischer Wert anzusehen, dennoch werden alle Kinder ab 3 Jahren zu jeder Uhrzeit mit erfasst.
Statistischer Unsinn
Die Einschaltquote in ihrer jetzigen Form ist nicht nur statistischer Unfug. Sie verzerrt auch absolut das Bild der wirklichen Zuschauergruppe. Wo sind bspw. die über 50-Jährigen? Die Ü50-Generation ist jene Zielgruppe, welche das viele Geld hat. Die richtig teuren Luxusautos werden von genau jener Generation gekauft, auch wenn die Autoindustrie gern das Gegenteil in ihrer Werbung verkauft möchte: junge und hippe Menschen. In der Einschaltquote werden die über 50-Jährigen komplett ignoriert, so als ob es diesen Personenkreis aus werberelevanter Sicht gar nicht geben würde. Auch die eindeutigen Zahlen aus der Demographie sprechen klar gegen diese Ausgrenzung. Man könnte fast die Vermutung äußern, die werbetreibende Wirtschaft hätte Angst vor dem Alter. Nur jung ist dynamisch und erfolgreich. Nur jung ist sexy und gut aussehend. Nur jung ist reich und schaut viel fern.
Die Werbeindustrie lebt entweder absichtlich oder mit blinden Vorstellungen in einer Traumwelt, um sich und eventuell die Werbepartner zu täuschen und in dieser Welt der sinnfreien Einschaltquoten zu belassen. Hilfe, unsere Werbung könnte plötzlich um so viel natürlicher und ehrlicher sein, wenn man von jung bis alt alle Personenkreise abdecken wollte. Ältere Menschen sind nämlich weitaus kritischer, wenn es um die Beurteilung von (fremden) Produkten oder Dienstleistungen geht. Vielleicht will man sie deshalb ganz bewusst nicht mit in der Statistik haben.
Der Unsinn geht weiter:
„Ab 23.15 Uhr hatte kabel eins mehr Erfolg: Der Actionklassiker «Mad Max» interessierte 0,72 Millionen Fernsehzuschauer ab drei Jahren …“
Quelle:
http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=55000&p3=