Versender des Jahres – eine Branche feiert sich selbst

QVC war im Jahre 2005 „Versender des Jahres“. Nun hat es Conrad-Electronic getroffen. Das Unternehmen ist „Versender des Jahres 2007“. Beifall. Ich möchte die Feierlaune nicht stören, aber wenn der Champagner lauwarm präsentiert wird und die Schnittchen am Buffet schon leicht speckig werden, ist es an der Zeit, diese Auszeichnung mal näher zu betrachten. „Versender des Jahres“ wird man ja nicht einfach so.

Der BVH
Der Bundesverband des deutschen Versandandels e.V. ist ein buntes Stelldichein der Branche. Unter www.versandhandel.org kann man selbst nachlesen, wer es alles in die höchsten Ebenen geschafft hat – unter anderem:

  • Herr Schäfer (Präsident, Vorstandsvorsitzender bei Schwab)
  • Herr Dr. Hillebrand (Vorstandmitglied bei Otto)
  • Herr Junghans (Geschäftsführer bei Pro-Idee)
  • Herr Kohm (Geschäftsführer bei Robert Klingel)
  • Herr Sommer (Vorstandsmitglied bei Arcandor, u.a.Quelle)
  • Herr Dr. Conrad (Geschäftsführer bei Conrad)
  • Herr Dr. Flatten (CEO bei QVC Deutschland)
  • Herr Oppenrieder (Geschäftsführer von neckermann.de)
  • Herr Halff (Geschäftsführer beim Weltbild-Verlag)
  • Herr Lipke (Geschäftsführer bei Globetrotter)
  • Herr Dr. Vollmoeller (Vorstandsmitglied bei Tchibo)

In den untergegliederten Ausschüssen, Arbeitskreisen und Ressorts finden sich noch weitere namhafte Unternehmen bzw. Vertreter derer. Für den BVH e.V. ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich handelt es sich dabei um den Dachverband der Versandhandelunternehmen.

Die Jury des BVH
Sobald man sich auf die Suche nach den Mitgliedern der Jury macht, sieht die Lage schon ganz anders aus. Laut Information handelt es sich um hochkarätige und namhafte Vertreter des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels. Um es einfach auszudrücken: in der Jury sitzen die selben Gesichter wie im Vorstand oder in den Ausschüssen. Die Jury handelt somit frei von äußeren Einflüssen und ist eher auf die interne Lobbyarbeit getrimmt.

Gekaufte Auszeichnung
Die Unternehmen gehen mit dem Preis hausieren, als ob sie einen Marathonlauf gewonnen hätten. „Wir sind die Besten, weil die Jury uns gewählt hat.“ Kunststück. Die Jury hat Conrad-Electronic (2007), Globetrotter (2006), QVC (2005), Tchibo (2004) und die anderen Versender des Jahres aus freien Stücken und völlig unabhängig gewählt. Keine Frage. Das glaubt vielleicht Frau Müller-Schmidt, wenn sie das nächste Mal beim Teleshopping wieder zum Hörer greift. Es macht auf mich eher den Eindruck, als ob die Auszeichnung jedes Jahr an jenes Unternehmen vergeben wird, welches es am Nötigsten hat oder welches die größte Geldsumme in den Spendentopf gelegt hat.

Goldene Worte der Jury
Über den Versender des Jahres 2007, die Conrad-Electronic GmbH schreibt die Jury: „Conrad steht mit Katalog, Internet und Filialen beispielhaft für den modernen Handel.“ Der Spruch hat nicht mehr Inhalt als eine leere Flasche Chianti. Wer sich den Internetshop von Conrad anschaut, könnte nicht der Meinung sein, dass dort moderner Handel betrieben wird. Die Struktur und der Aufbau erinnern meiner Meinung nach eher an einen leicht angestaubten und zudem stark unübersichtlichen Shop eines Wald- und Wiesenversenders. Auch die Filialen erinnern eher an Ramschläden: unübersichtlich und zugepackt bis unters Dach.

Selbstbeweihräucherung auf ganzer Ebene
Herr Conrad bringt es auf den Punkt: „Wie sind stolz auf diesen begehrten Preis und nehmen dies gerne als Ansporn, für Sie auch weiterhin die beste Leistung zu erbringen.“ Begehrt mag der Preis sein, auch wenn das Unternehmen nicht durch seine eigenen Kunden gewählt wurde. Dass man auf diesen Preis stolz sein kann, bezweifle ich. Auf was kann man schon stolz sein, was man sich selbst zugeschustert hat? Den Ansporn für die perfekte Leistung sollte Conrad mal in seine Filialen und den Internetshop investieren. Etwas mehr Übersichtlichkeit und weniger Ramsch-Charakter würden beiden Verkaufsplattformen gut zu Gesicht stehen.

Preis mit 0,0% Inhalt
Prinzipiell könnte jedes Unternehmen, welches Mitglied beim BVG ist, sich selbst einen Preis zuschieben. Doch weil dies ganz offensichtlich nach Schmuh und Unglaubwürdigkeit riechen würde, benutzt man lieber den einfachen und unkomplizierten Umweg über die vereinseigene Jury. Was für ein Kunststück.
Der Preis sagt über die tatsächliche Leistung des Unternehmens gar nichts aus, da nicht die Kunden zu Wort kommen. Würde man diejenigen befragen, welche dem Unternehmen den entsprechenden Umsatz beschert haben, würden Sätze wie „Dennoch ist es [Conrad, Anm. des Autors] ein Familienunternehmen geblieben, das bei Mitarbeitern und Kunden hohes Ansehen genießt.“ plötzlich in einem ganz anderen Licht erstrahlen lassen. Bei mir persönlich bspw. genießt Conrad kein besonders hohes Ansehen – zumindest nicht mehr oder weniger als andere Versandunternehmen. Aber ich sitze zum einen nicht in der Jury des BVH und zum anderen wurde ich auch nicht gefragt.

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