Wenn Teekochen zum Problem wird

Teekochen liegt beim Schwierigkeitsgrad weit vor Schuhe zubinden. Teebeutel in die Tasse, Wasser in den Wasserkocher, einschalten, warten, Wasser aufgießen, warten, fertig. Da haben Sie allerdings nicht die Rechnung mit der Industrie gemacht. Denn die Zubereitung von Tee ist eine hochpräzise und komplexe Angelegenheit, für die es eine extra Maschine braucht: die Special-T von Nestlé (www.special-t.com). Lassen Sie sich entführen in eine sinnliche Teewelt der Probleme.

Die Teemaschine von Nestlé gibt es derzeit für günstige 79 Euro – statt der angeblich regulären 119 Euro. 79 Euro für eine Maschine, welche eigentlich nur heißes Wasser kochen kann. Doch die Werbung wäre nicht die Werbung, gäbe es für einen simplen Teekocher nicht die passenden Botschaften. Zitat von der Website:

Für die vollständige Entfaltung des aromatischen Potentials eines Tees ist die Beherrschung aller nötigen Elemente für einen perfekten Aufguss nötig. Dies sind die Dosierung des Wassers, die Temperatur und die Ziehzeit.

Als langjähriger Teekenner und Teegenießer war ich überrascht und zugleich schockiert, wie dilettantisch ich bisher meinen Tee zubereitet habe. Wenn auf der Packung steht „Ziehzeit 5 min.“ dachte ich nie daran, einen sekundengenauen Timer dafür zu programmieren. Auch die Angabe „mit 100°C heißem Wasser übergießen“ habe ich immer so verstanden, dass ich dem Wasserkocher so viel Zeit gebe, bis er sich von selbst abschaltet. Mit der Wassermenge habe ich es bis heute auch noch nie so genau genommen.

Die Teezubereitung eröffnet mit diese Maschine eine neue Dimension. Nun sind auch die ganz Doofen unter uns in der Lage, erstklassigen Tee zu zaubern. Denn die speziellen Teekapseln verraten der Maschine, wie heiß das Wasser sein soll und wie lange der Tee ziehen muss. 80 Grad oder 100 Grad,  3 Minuten oder 5 Minuten sind nun keine Fragen mehr, mit denen man sich beschäftigen muss. Die Auswahl der gewünschten Teesorte ist schon kompliziert genug.

Gefangen in der Kapsel-Welt

Was schon beim Kaffee hervorragend funktioniert, versucht Nestlé nun auch beim Tee. Viel künstlich produzierte Exklusivität, wohlklingende Teesorten, ansprechendes Design. Beispielsweise kosten 10 Kapseln Pfefferminztee luxuriöse 3,70 Euro. Ich halte einen 20er Pack Teebeutel von Mesmer oder Teekanne für 2,50 Euro schon für überteuert. Ein Kapsel-Tee ist damit ca. 300 Prozent teurer als der gewöhnliche Tee im Beutel. Die gesonderte Maschine dabei nicht mit eingerechnet.

Erzählen Sie mal einem chinesischen oder indischen Teehändler, dass wir Tee in abgepackten Alukapseln kaufen. Dieser Teehändler wird sie mit verwirrten Augen anschauen und auf das reichhaltige Sortiment an offenen Kräutern und Gewürzen zeigen. Verlieren getrocknete Blätter wirklich so schnell an aromatischen Stoffen, dass sie luftdicht und einzeln verpackt sein müssen? Was haben die Milliarden von Teetrinkern in den letzten Jahrtausenden falsch gemacht oder an Geschmacksexplosionen beim Teetrinken verpasst?

Tee ist nicht gleich Kaffee. Wenn gerösteter Kaffee zu lange lagert, verliert er die ätherischen Öle und schmeckt sofort bitter. Auch ist beim Kaffee die korrekte Wassertemperatur maßgebend. Ein paar Grad zu gering und der Kaffee schmeckt wässrig, ein paar Grad zu viel und er schmeckt verbrannt.
Die Teezubereitung ist im Vergleich dazu weitaus einfacher. Den Unterschied zwischen 4 Minuten und 5 Minuten oder zwischen 90 Grad und 100 Grad wird selbst der beste Teekenner nicht feststellen können. Viele weichen gar bewusst von der empfohlenen Ziehzeit ab, um entweder eine mildere oder stärkere Tasse zu bekommen. Und wer seine Teebeutel oder offenen Teesorten kühl und trocken lagert, kann auch in zwei Jahren noch die selbe Packung verwenden.

Ein großes Problem entsteht durch die Verwendung der Aluminium-Kapseln. Sowohl die stromintensive Herstellung von Aluminium als auch die Entsorgung stellen eine unnötige Umweltbelastung dar. Laut Nestlé soll man die Kapseln aus Aluminium und Plastik über die Gelben Tonne entsorgen. Doch es ist wohl eher anzunehmen, dass die nassfeuchten Kapseln im Hausmüll landen. Pro Tasse Tee landen wertvolle und teure Rohstoffe im Müll.

Probleme ergeben sich auch an ganz anderen Stellen. Man kann nicht wahlfrei irgend eine Teetasse nutzen. Zum einen passt nicht jede Tasse unter den Ausguss der Maschine. Zum anderen sollte man die zum Special-T angebotenen Tassen mit dem definierten Inhaltsvolumen nehmen. Schließlich ist die Teemenge in den Kapseln genau auf die Wassermenge abgestimmt. So zumindest die Werbeaussage von Nestlé. Der große Becher ist mit dieser Maschine ebenso nicht möglich wie die Kanne Tee für die ganze Familie.

Ich gebe bei Kräutertees gern mal ein paar Stückchen frischen Ingwer hinzu oder lasse eine frische Zitronenscheibe mitziehen. Die meisten Grünteesorten lassen sich zwei Mal aufkochen. Meist schmeckt die zweite Tasse sogar harmonischer. Dies alles ist mit der innovativen Special-T leider nicht möglich. Man muss eben gewisse Abstriche machen, wenn man sich exklusiven Tee von einem Teeautomaten kochen lässt.

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2 Kommentare

  1. Zum Vergleich zu Kaffee, dem beliebtesten Heißgetränk der Detuschen mit rund 150 Liter Konsum pro Kopf: Die Dolce Gusto Kapseln mit rund 50 Kapseln lassen sich im Internet für rund 14 Euro bestellen. Die Nespresso Maschinen sind bei bescheidenen Bedürfnissen für unter 100 Euro erhältlich. Schicke Tassimo Maschinen wie die von Bosch, wo wunderbar Kaffee und flexibel andere Getränke kreiert werden, kosten sogar weniger.

    1. Auch die Kapselträger bei den Kaffeemaschinen sind überteuerter Luxus. Für rund 14 Euro bekomme ich ein hochwertiges Kilo Bohnen. Davon mahle ich für einen Siebträger mindestens 120 Einheiten Kaffee. Und damit sind Kapseln mindestens doppelt so teuer.

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