In Brüssel hatte man die glorreiche Idee, den Internet-Versandhandel innerhalb Europas zu vereinfachen. Bis heute gibt es in jedem EU-Land ein eigenes Widerrufsrecht. Beziehungsweise gab es in einigen Ländern gar keine genauen Regelungen für den Fernabsatz. Dies ändert sich nun zum 13. Juni 2014. Ab dann sind für alle Endkundengeschäfte innerhalb des EU-Raumes einheitliche Regelungen verbindlich. Und nicht wie früher nur für dem Versandhandel (Fernabssatz) sondern nun auch ganz allgemein für Dienstleistungen.
Keine Übergangsfrist
In Brüssel hat man wahrscheinlich vom Versandhandel ebenso wenig Ahnung wie allgemein vom „Neuland“ (2013, Merkel „entdeckt“ das Internet). Zum 13. Juni gilt verbindlich das neue Gesetz und zwar ohne eine Übergangsfrist. Faktisch bedeutet dies, dass alle Shopbetreiber um Punkt 0 Uhr ihre Widerrufsbelehrung umstellen müssen. Schon geht die Angst um, dass genau zur blauen Stunde viele Abmahnanwälte den Knopf für einen Screenshot drucken werden, um massenhaft ihre Abmahnungen versenden zu können.
Wie verhält es sich eigentlich mit einer Abmahnung, wenn zwischenzeitlich der Tatbestand, also die alte Widerrufsbelehrung, getauscht wurde? Ist die Abmahnung dann gegenstandslos? Und wie verhält es sich mit einem Kunden, der seinen Warenkorb noch vor 24 Uhr gefüllt hat, also prinzipiell mit dem Wissen der alten Widerrufsbelehrung, die Bestellung aber erst nach 24 Uhr – also auf Grund des neuen Widerrufsgesetzes – abschließt?
Ein neues Gesetz ohne Übergangsfrist einzusetzen, ist im realen Leben schon ein Problem. Und erst recht im Internet mit seinen zig Abhängigkeiten. Lokale Uhrzeit, fremde Uhrzeit, Bezahlabwicklung direkt oder zeitverzögert über Dienstleister oder ganz allgemein der Weg vom Warenkorb bis zum Bestellabschluss. Man stelle sich vor, Sie betreten einen Laden und wollen mit EC-Karte zahlen. An der Kasse angekommen sagt Ihnen der Kassierer: „Tut mir leid, in der Zwischenzeit haben wir das Schild für die Kartenzahlung abgehängt. Sie müssen nun mit Bargeld bezahlen.“
Tausend Ausnahmen
Mit dem alten Widerrufsrecht galt die Regelung: über 40 Euro Bestellwert konnten die Rücksendekosten dem Kunden angerechnet werden. Diese Grenze gibt es nun nicht mehr. Die Kosten für die Rücksendung können nun immer dem Kunden aufs Auge gedrückt werden. Der Versender ist dazu jedoch nicht verpflichtet.
Der Widerruf gilt nun auch für Dienstleistungen. Doch speziell in diesem Bereich gibt es die meisten Ausnahmen: Beherbergungsbetriebe (Hotels, Pensionen), alles was von Preisschwankungen des Marktes betroffen ist (z.B. Finanzdienstleistungen), Zeitschriften oder Zeitungen – jedoch keine Abos, Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten, Wett- und Lotteriedienstleistungen, versiegelte Waren wie Software oder Hygieneartikel oder individuelle Produkte, die auf speziellen Kundenwunsch entstanden sind.
Auch versiegelte Unterhosen oder Bademode zählen zu den Hygieneartikeln. Legt der Versender solche Kleidungsstücke in versiegelte Verpackungen, bleibt dem Kunden nur eine Wahl: entweder nur Anschauen oder Behalten und damit Kaufen. Ein Probieren ist damit ausgeschlossen. Es ist daher spannend, wie die meisten Versender dies lösen werden.
Für Onlineshop-Betreiber wird das neue Widerrufsrecht derart komplex, dass ohne anwaltliche Beratung fast nichts mehr geht. Zumindest dieser Berufszweig profitiert durch die Umstellung hervorragend. Aber auch der Verbraucher muss nun jede Widerrufsbelehrung genau durchlesen, da es nun von Versender zu Versender erhebliche Unterschiede geben kann.
[…] Panik und Chaos rund um das neue Widerrufsrecht. Ein neues Hesetz mit 1000 […]