Stadtschloss-Nachbildung oder Beton-Burg?

Selten ist sich der Berliner einer Meinung. Doch beim Stadtschloss sieht die Sache ziemlich eindeutig aus. Laut einer Forsa-Umfrage sind fast zwei Drittel gegen den Neubau und damit auch gegen die voraussichtlichen Baukosten von knapp 600 Millionen Euro. Der Bürger sieht keinen großen Nutzen in einem Nachbau des kaiserlichen Stadtschlosses wie zu Zeiten um 1900. Einzig die Politik und der eingerichtete Förderverein machen sich stark für das Humboldt-Forum.

Die Fakten des Großprojektes:

  • Gesamtkosten von derzeit 600 Millionen Euro
  • bebaute Grundfläche von 55.000 m² (ergibt 230 Meter auf 230 Meter)
  • drei Außenwände und die Schlosskuppel sollen historisch nachempfunden werden
  • die 80 Millionen teuren Nachbauten sollen durch Spenden finanziert werden

Der Bau ist noch nicht einmal dem Kellergeschoss entwachsen, da gibt es bereits die erste schlechte Nachricht. Dem Förderverein fehlen noch circa 70 Prozent der Spenden. Von den projektierten 80 Millionen Euro sind bis heute erst 22,5 Millionen Euro eingesammelt worden. Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins, sieht die Angelegenheit indes recht entspannt. Dem Tagesspiegel äußerte er, dass notfalls Teile wie die Laternen an der Kuppel erst nachträglich angebracht werden. Oder sie werden ersatzlos gestrichen, falls das Spendenziel verfehlt wird. Für die historische Kuppel hätte man jedoch eine verbindliche Zusage von einer Million Euro.

Ist eine Million Euro für eine historische Kuppel diesen Ausmaßes nicht ein bisschen niedrig kalkuliert? Und was passiert mit der Außenfassade, wenn die Spendengelder nicht reichen? Wird der Nachbau dann weniger dem Original nachempfunden als geplant? Es gab seit Beginn der Planung die Kritik, dass das Humboldt-Forum nur ein Betonklotz mit historischer Fassade sei – eine Art Disneyland für Geschichtsliebhaber. Wenn nun am Nachbau der Außenfassade  gespart wird, ist es schlussendlich ein teurer Betonbunker mit dem billigen Versuch einer historischen Anlehnung an das ehemalige Stadtschloss.

Vom Stararchitekt Stefan Braunfelds kommt sogar die Idee, es mit einem Schloss-„Light“ zu versuchen. Der Architekt hat die Idee, die an sich unverkleidete Ostfassade zu öffnen. Damit könnte man weitere Kosten sparen und das Forum nach Osten hin zum Fernsehturm durch einen Boulevard verbinden. Vorne Schlossnachbildung, innen moderne Betonarchitektur und hinten ein großes Loch im Gebäude. Von einigen Diskussionsteilnehmern kommt sogleich die Idee, auch auf die restlichen drei Wände zu verzichten. Dies würde dem denkwürdigen Platz eine angenehme Leichtigkeit verschaffen.

Der Berliner war noch nie für den modernen Schlüterhof zu begeistern. Ein Disneyland mit kaiserlichem Pathos hat weder Stil noch Sinn. Der Förderverein wird auch bis zur Fertigstellung nicht die erhofften 80 Millionen Euro zusammen sammlen. Und am Ende wissen wir alle schon, dass diese in Beton gegossene Monster keine 600 Millionen Euro sondern eher eine Milliarde Euro kosten wird. Aber Hauptsache ein paar Gestrige haben ihren Willen durchgesetzt und ein neues Museum findet seinen Platz. Und je mehr an den Plänen dieser grotesken Pseudo-Schlossnachbildung gedreht wird, desto absurder wird dessen Erbauung überhaupt.

Please wait...

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.