NSU-Prozess: wenn Journalisten sich um Plätze streiten

Bereits seit mehreren Tagen beschäftigt sich die Journaille mit dem Thema „NSU-Prozess“. Obwohl die Verhandlungen am Oberlandesgericht München erst am 17. April  beginnen, gibt es im Vorfeld einen großen Streit darüber, wer und wie den Prozess beobachten und darüber berichten kann. Im Gerichtssaal ist nur Platz für 50 Journalisten und die Vergabe dazu verlief etwas bajuwarisch.

Das mediale Interesse an dem Fall ist groß. Acht der zehn Morde die der rechtsextremen Terrorzelle NSU zugerechnet werden, haben einen türkischen Hintergrund. Der Prozess ist somit nicht nur für die politische Aufarbeitung wichtig sondern auch für die türkischen Mitbewohner. Dumm nur, dass die Verhandlung am Oberlandesgericht München in einem relativ kleinen Saal statt finden wird. Dies löst bereits im Vorfeld unerwartete Probleme aus.

Die Argumentation mit der Rassismus-Karte

Die Vergabe der 50 Presseplätze verläuft über eine Akkreditierungsliste. Bereits drei Stunden nach offizieller Bekanntgabe durch das OLG München waren offenbar alle 50 Plätze bereits vergeben. Der Kopp-Verlag argumentiert, dass die türkischen Medien einfach nicht schnell genug gehandelt hätten. Beispielsweise hat die  türkische Zeitung Sabah eine Redaktion in Hessen und erfuhr zum selben Zeitpunkt von der Pressemeldung des OLG wie die deutschen Redaktionen. Jedoch erreichte das OLG erst viele Stunden später eine Akkreditierung der Sabah.
Der Kopp-Verlag vertritt die Meinung, dass sich die türkischen Journalisten zu unrecht beschweren würden. Sie haben schlichtweg gepennt oder auf eine differenzierte Vergabepraxis gesetzt. Nun im Nachgang beklagen sie, dass nur deutsche Medienvertreter einen Platz ergattert haben. Dies wäre ein rassistisches Vorgehen.

Der Kopp-Verlag macht es sich ziemlich einfach. Erst wirft er den türkischen Medien ein behäbiges Reaktionsvermögen vor und wendet die Beschwerde in die Rassimusecke. Ich behaupte, dass die türkischen Medienvertreter schlichtweg nicht so viel Manpower haben, permanent die Presseseiten der deutschen Gerichte zu beobachten. Und dann kommt noch die Sprachbarriere hinzu.

Liste ist Liste und Platz ist Platz

Eine einfach Lösung des Problems ist nicht abzusehen. Das OLG handelt streng nach der Devise: die Plätze werden streng nach Zeit der Anmeldung vergeben. Die  ARD wollte daher eine atypische Möglichkeit anbieten. ARD-Hörfunk und ARD-Fernsehen wollten auf einen ihnen zugewiesenen Plätze verzichten und dem türkischen Rundfunk TRT anbieten. Mit einem ähnlichen Vorschlag war jedoch bereits zuvor die BILD-Zeitung gescheitert. Deren Redaktion wollte einen freiwerdenden Platz der türkischen Zeitung „Hürriyet“ bereitstellen. Das OLG weigert sich jedoch, von der offiziellen Vergabemethodik abzuweichen.

Die ARD appellierte zudem an das Gericht, eventuell durch eine Videoübertragung in einen zweiten Gerichtssaal einem größeren Kreis die Chance zur Vorort-Berichterstattung zu geben. Was beispielsweise in den USA seit Jahren gängige Praxis ist, wurde vom Oberlandesgericht wegen rechtlichen Hürden abgelehnt.

Der Prozess hat seinen ersten Skandal, bevor er überhaupt begonnen hat. Wenn sich alle akkreditierten Journalisten auf einen Platztausch einigen, sollte sich das OLG – zumindest in diesem Fall – von seinen eigenen Vorgaben lösen. Und eventuell ist es an der Zeit, generell über eine Videoübertragung aus dem Gerichtssaal nachzudenken.

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