Kirche klagt gegen den Sonntagsverkauf

Heute wurde vor dem Bundesverfassungsgericht eine Klage der deutschen Kirche (Katholische und Evangelische Kirche) verhandelt. Den Kirchen ging es bei Ihrer Klage um die sogenannte Sonntagsoption im Einzelhandel, welche den Geschäften derzeit bundesweit erlaubt, an vier Sonntagen im Jahr ihre Geschäfte zu öffnen. In Berlin hat man durch eine geschickte Umgehung und noch geschicktere Verhandlungen bereits 10 verkaufsoffene Sonntage daraus gemacht. Gerade in der Vorweihnachtszeit wird dieser Sonntagsverkauf gern vom Einzelhandel ausgenutzt. Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: die Freigabe aller vier Adventssonntage in Berlin verstößt gegen den besonderen Sonntagsschutz im Grundgesetz.

Die Fronten könnten bei diesen Thema kaum verhärteter sein. Die Befürworter sprechen der Kirche dem Schutz des Sonntags zu. Der Sonntag ist „heilig“ und sollte nicht mit Arbeiten oder Shoppen verbracht werden. Die Gegner hingegen sind aufgebracht über die Einschränkung des Sonntagsverkaufs. Dies schade nicht nur der Wirtschaft sondern wäre auch eine Einschränkung der persönlichen Lebensumstände. Im Grunde haben beide Lager recht. Doch betrachtet man die Lage mit etwas mehr Abstand, ergeben sich ganz neue Perspektiven.

Für viele gehört das Einkaufen am Sonntag zum alltäglichen Bild. Denn viele Berufstätige haben unter der Woche kaum bis gar keine Zeit, ihre Einkäufe zu erledigen. Da kommt der verkaufsoffene Sonntag wie gerufen. Die Wirtschaft ist ebenso begeistert. Denn sie wittert dadurch steigende Umsätze. Und für Familien ergibt solch ein Sonntagsverkauf die Möglichkeit, mit Kind und Kegel durch die Verkaufspassagen zu schlendern.

Doch wenn man die Gegenseite betrachtet, ist dieses Familienidyll nur eine Trugnummer. Schon heute müssen viele übers Wochenende arbeiten: Reinigungspersonal, Busfahrer, Ärzte, Köche und Kellner, Sicherheitspersonal und noch viele mehr. Kommen nun noch alle Verkäufer/innen mit dazu, entwickelt sich daraus bald ein Rattenschwanz. Irgendwann haben auch die Stadtämter Sonntags geöffnet, ebenso wie viele Büros. Je mehr Sonntags arbeiten müssen, desto weniger ergibt sich die Möglichkeit, mit der ganzen Familie shoppen zu gehen. Das entspannte Gefühl eines Geschäftbummels ist nur dann angenehm, wenn man selbst nicht arbeiten muss.

Die Wirtschaft betont immer wieder, dass sich durch den Sonntagsverkauf der Umsatz steigern lasse. Dies trifft allerdings nur auf wenige Ausnahmen zu. Ein kleines Bekleidungsgeschäft macht an einem Sonntag nicht mehr Umsatz als an anderen Tagen. Und je mehr geöffnete Tage es in der Woche gibt, um so mehr verteilen sich die Kunden auf diese einzelnen Tage. Einen Euro kann man eben – auch mit Sonntagsverkauf – nur einmal ausgeben. Und eine neue Jeans kauft man dadurch auch kein zweites Mal. Einzig und allein die großen Shopping-Malls und die großen Elektronikläden machen eventuell einen zusätzlichen Umsatz durch einen sonntäglichen Verkauf. Doch auch hier lässt sich beobachten, dass viele nur durch die Regale schleichen und nichts kaufen.

Aber da gibt es ja immer noch jene Berufsgruppen, die von Montag bis Samstag von 8 Uhr bis 20 Uhr arbeiten müssen. Die haben gar keine andere Möglichkeit, als auf einen Sonntagsverkauf auszuweichen. Doch welcher Prozentsatz der Berufstätigkeiten hat wirklich eine Wochenarbeitszeit (Mo. bis Sa.) von 60 Stunden und mehr? Drei Prozent? Oder gar mehr – oder doch weniger? Und hat jemand, der so viel unter der Woche arbeitet, dann am einzigen freien Tag noch Lust auf ausgiebiges Shoppen?

Die Kritiker werfen der Kirche vor, sie wollte mit dieser Klage nur wieder ihre Kirchen mehr füllen. Das halte ich für absurden Quatsch. Wenn man sich in anderen streng katholischen Ländern umschaut, ist die Lage weitaus anders. Beispiel Mexiko. Dort gibt es keine Sonntagsregelung. Jeder kann dann sein Ladengeschäft öffnen, wann er es für richtig hält. Und was soll ich sagen? Dort fährt die ganze Familie am Sonntag in den Supermarkt und erledigt ihren Sonntagseinkauf. Man geht aber auch in die Kirche. Doch ein Gefühl von einem Ruhetag hat man in Mexiko nicht. Jeder Tag in der Woche gleicht dem anderen. Und Freude am Sonntags-Shopping haben immer nur die, die selbst nicht arbeiten müssen; prinzipiell jene mit dem gut bezahlten Job.

Ich kann die Einschränkung des Sonntagsverkaufs nur begrüßen. Mir ist es dabei egal, welche Intentionen dabei die Kirchen verfolgt haben. Ich freue mich über das Ergebnis. Wir müssen nicht 24/7 ständig ans Shopping denken. Und wer an einem lausigen Sonntag nichts mit sich anzufangen weiß, der sollte sich mal Gedanken über sich und die Welt machen.

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