Günther Jauch: unsoziales Amazon und blinder Konsum

Die Sendung „Günther Jauch“ (ARD) vom Sonntag war mal wieder ein Paradebeispiel für einfachste Schwarzweißmalerei. Auf der einen Seite ein konsumorienter Kunde, der immer mehr Sachen über das Internet bestellt und sich dies alles nach Hause liefern lässt. Auf der anderen Seite ein Logistikunternehmen wie Amazon, welches die höchstmögliche Effizienz in der kompletten Lieferkette nutzt, damit die Bestellung möglichst schnell und kostengünstig zum Kunden kommt. In der Diskussion „Weihnachten mit Amazon und Co. – wer leidet unter unserem Bestell-Wahn?“ wurden nur altbekannte Tatsachen aufgewärmt. Die Diskussion endete genau dort, wo es hätte interessant werden können.

Amazon ist nicht ohne Grund eines der erfolgreichsten Internetunternehmen auf der Welt. Der Versanddienstleister bietet einen hervorragenden Service, garantiert schnelle Lieferzeiten und bietet meist auch noch die günstigsten Preise. Der Internet-Konsument dankt es dem Konzern mit Milliarden-Umsätzen. Zuletzt waren es über 60 Milliarden Dollar weltweit. Doch Angestellte, Partnerunternehmen und Lieferdienste leiden unter dem Preisdruck und unter den Arbeitsanforderungen. Günstig konsumieren und dabei sozial gerechte Bezahlungen leisten sowie faire Arbeitsbedingungen garantieren, klingt ein bisschen nach der Quadratur des Kreises.

Der Kunde sucht sich aus ökonomischer Sicht das günstigste Angebot auf dem Markt. Amazon verwendet die selben ökonomischen Grundsätze und versucht Kosten zu senken, wo es Einsparmöglichkeiten sieht. Dies gefällt dem Gast der Diskussion, Günter Wallraff, rein gar nicht. Denn Günter Wallraff hält Amazon, DHL, Hermes und Co. für moderne Sklavenhalter. Ein Mann wie Wallraff darf dies behaupten, schließlich hat er schon so manche Ungerechtigkeit aufgedeckt. Lösungsansätze bietet er hingegen keine. Denn die einzig logische Konsequenz wäre wohl, dass die Produkte teurer und die Mitarbeiter besser bezahlt werden müssten. Er kritisiert auch die vielen Leiharbeiter. Liefert aber auch hier keine Erklärung dafür, dass im Weihnachtsgeschäft fast 50 Prozent des gesamten Jahresgeschäftes abgewickelt werden muss.

Laura Karasek, der zweite Gast in der Sendung vom Sonntag, hat die Büßerrolle in der Runde. Sie sagt, dass sie gern im Internet bestellt, weil es stressfrei, unkompliziert und bequem ist. Und man muss sich dabei nicht nach Ladenöffnungszeiten richten. Anprobieren kann man zuhause und die Beratung liefert das Internet. Ihr Käuferprofil ist typisch und der Grund dafür, wieso Internet-Shops boomen. Das Einkaufen von Zuhause hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: die Rücksendequote liegt im Schnitt bei circa 65 Prozent. Mehr als jedes zweite Paket wandert wieder zurück zum Versender. Die Ware kommt dabei oft verschmutzt oder beschädigt zurück. Im Schnitt kostet jede Rücksendung 15 Euro. Dies ist in den Verkaufspreisen bereits eingerechnet. Jeder Konsument zahlt diese versteckte Kosten mit.

Wieso gibt es bei den Versandhäusern kein Bonusprogramm für „pflegeleichte“ Kunden? Wer wenig zurück sendet und immer pünktlich zahlt, sollte dafür belohnt werden. Mit der jetzigen Methodik unterstützt man hingegen das massenweise Bestellen und Zurücksenden, weil für alle Kunden die Kosten gleich hoch sind. Hier sind die Versender einfach nicht mutig genug.
Doch auch der stationäre Handel wandelt dies nicht zu seinem Vorteil. Oft wird behauptet, dass der stationäre Verkauf im Ladengeschäft teurer ist, weil mehr Mitarbeiter und hohe Mietkosten bezahlt werden müssen. Dass aber das Ladengeschäft mit einer viel geringeren Rücknahme kalkulieren kann, sieht man den Verkaufspreisen leider nicht an.

In der ARD-Diskussion darf Ranga Yogeshwar nicht fehlen. Der Wissenschaftsjournalist wird immer dann eingeladen, wenn die Themenlage nicht politisch ausgelegt ist. Herr Yogeshwar weißt darauf hin, dass Amazon keine Steuern zahlt. Er hält das Unternehmen dabei für unsozial. Nun, da ist Amazon leider nicht die Ausnahme sondern eher die Regel. Denn selbst ehrenwerte deutsche Unternehmen versuchen per Optimierung, ihre Steuerlast gegen Null zu senken. Auch ist es für ihn ein Unbehagen, wenn sich Monopolisten bilden. Diese Sichtweise ist eine Binsenweisheit, schließlich ist jedes Monopol schädlich für den Markt. Und Monopole gab und gibt es schon viele. Hätte man dafür nicht besser einen Finanzexperten in die Runde setzen sollen?

Einen aufgeklärten Eindruck erweckt Gerrit Heinemann. Er ist Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Niederrhein und erklärt, wieso Amazon der Konkurrenz um Jahre voraus ist. Der amerikanische Konzern investiert vier Milliarden in Systeme. Die größte deutsche Konkurrenz Media-Saturn investiert jährlich maximal drei Milliarden Euro, jedoch größtenteils in Flächen und nur circa 10 Prozent in Systeme. Leider wird diese Diskussion nicht weiter vertieft. Keiner in der Runde hinterfragt, wieso Media-Saturn in Deutschland zusammen über 400 Konsumtempel betreibt. Keiner hinterfragt, wohin der Konsum führen soll. Niemand interessiert sich für die grundsätzliche Frage, wohin der Konsument ausweichen soll, wenn er nicht im Internet bestellen soll.

Letzter Gast in der Runde ist Patrick Palombo, ein Handels- und E-Commerce-Experte. Für ihn ist das Thema Effizienz so alt wie die Logistik überhaupt. Schon bei Neckermann, Otto oder Quelle wurde vor vielen Jahren auf die Effizienz der Mitarbeiter geachtet. Niemand ist erschüttert. Schließlich sind es deutsche Konzerne und alles ist verjährt. Heute geht es um einen amerikanischen Konzern und der lässt sich einfacher kritisieren.

Niemand fällt ein Wort darüber, dass jeder kleine Onlineversender die Lage der Versender (DHL, DPD, Hermes, und weitere) verschlimmert. Jedes weitere Paket erhöht den Arbeitsaufwand. Niemand fällt ein Wort darüber, dass die komplette Autoindustrie auf die Just-in-Time-Produktion setzt. In diesen Logistikprozessen ist die Bezahlung nicht besser als wie bei Amazon.

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Ein Kommentar

  1. Ich muss leider korrigieren: Statt 4 Mrd. Investitionen in Systeme investiert die Metro AG als größter deutscher Konzern 1/3 der Summe und diese überwiegend in Flächen. In Systeme wahrscheinlich nur 1/100 von Amazon

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