Die Speichellecker der Industrie im Kanzler-Duell

Sonntag, den 13. September, 20:30 Uhr. Geschätzte 20 Millionen Zuschauer verfolgen das Kanzlerduell auf ARD, ZDF, RTL und Sat1. Gibt es etwas Neues zu hören? Nein! Gibt es etwas Wichtiges zu hören? Nein!

Die nette Frau von der CDU möchte mehr Gerechtigkeit durch mehr Arbeit (für alle). Sehr interessant Frau Bundeskanzlerin. Diese Idee ist so neu wie die Arbeitswelt nach dem Krieg. Doch schafft man Gerechtigkeit für alle, in dem man immer mehr Menschen zu 1-Euro-Jobs oder in Zeitarbeitsfirmen drängt? So schafft man allerhöchstens mehr „Gerechtigkeit“ bei der Trennung zwischen Arm und Reich. Dass ein Manager für ein halbes Jahr Arbeit den Lohn für fünf Jahre erhält, findet die freundlich-grinsende Merkel zwar ungerecht, aber mit stichhaltigen Argumenten etwas dagegen unternehmen, möchte sie nicht.

Frank Walter Steinmeier ist in der SPD, weil sie als oberstes Ziel das Soziale im Namen trägt. Da bekommt man Zahnschmerzen, wenn man bedenkt, welche unsozialen Maßnahmen die SPD in den letzten Jahren in der großen Koalition mitgetragen hat. Mehr Videoüberwachung, Hartz-4 sowieso, weniger sozialversicherungspflichtige Jobs, neue Bankengesetze, größere Staatsverschuldung, und so weiter und so fort. Respekt Mr. Out-of-Order-Minister Steinmeier, was Sie unter der Marke „Sozial“ verstehen.

Das Duell könnte zur besten Teatime um 16 Uhr gesendet werden. Ein Kännchen Kaffee, ne Sahneschnitte dazu und das lustige „Kampfduell“ kann losgehen. Aber bitte nicht zu sehr emotional, das geht aufs Herz. Und bevor der Blutdruck hoch geht, lässt man es lieber gleich bei Fisimatenten. Wer das ganze Geplänkel aus einer anderen Perspektive beobachtet, erkennt eine riesengroße Speichelleckerei der Industrie.
Das große Ziel für die Zukunft sei – laut Oberkanzlerin Merkel – ultimatives Wachstum. Zuerst muss an die Industrie gedacht werden, um Arbeitsplätze zu erhalten oder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Eine solche tote Ausgeburt ist die Abwrackprämie. Das Problem ist jedoch ein anderes. Wer im Jahr weniger als 10.000 Euro zur Verfügung hat, der kann nicht überleben. Da nutzt auch ein 1-Euro-Job oder eine Umschulung nichts.

Thema Gesundheit: nichts Neues. Unerwähnt bleibt leider, dass wir immer noch einen riesigen Wasserkopf in der Verwaltung haben. Der neue Gesundheitsfond hat dies nur noch verschlimmbessert. Man hätte eventuell fragen sollen, wieso das Gesundheitssystem in Deutschland immer teurer wird.

Beim Afghanistan-Einsatz hört man ebenfalls nichts Neues. Die alten Bekannten bleiben die selben: islamistische Terroristen, Taliban, Terror, Drogenanbau, fehlende Demokratie. Ins Spiel gebracht wurde ein möglicher Abzug im Jahr 2013. Dies stellte Herr F.W. Steinmeier sofort in Frage. Er leistete sich dabei auch einen schönen freudschen Versprecher: „Wir gehen da mal nicht kopflos rein … äh .. raus.“ Jawohl Herr Steinmeier. Die deutschen Truppen sind in der Tat wirklich kopflos nach Afghanistan abgezogen worden.

Peter Limbourgl bringt es auf den Punkt: „Sie wirken wie ein älteres Ehepaar, das zusammen in einer Beziehung ist. .. Sie sind ja doch sehr harmonisch.“ Frau Merkel wirkt so motiviert wie ein kurzer Espresso. Herr Steinmeier übt das Verhalten einer aufgelösten Kopfschmerztablette. Harmonie pur. Man könnte nicht der Meinung sein, dass beide nicht weiter für die große Koalition kämpfen wollen. Es gäbe wohl schlechteres. Denn die CDU hat zusammen mit der FDP eventuell nur eine knappe Mehrheit. Bei der SPD reicht es zusammen mit den Grünen nicht für eine absolute Mehrheit; und ein Zusammenschluss mit den Linken gibt es mit der SPD nicht. Rechnerisch bleibt im Ernstfall also nur eine erneute Legislaturperiode in einer großen Koalition. Harmonie ist daher Trumpf.

Brachte das Duell dem unentschlossenen Wähler neue Erkenntnisse? Nein. Wer vorher noch nicht wusste, bei welcher Partei das Kreuzchen zu machen sein soll, der ist nach den 90 Minuten nicht unbedingt schlauer. Beide Kandidaten konnten nicht für sich punkten. Weder die CDU noch die SPD ist die erste Wahl. Eventuell sind viele Wähler nach diesem kampflosen Duell noch stärker unentschlossen und entscheiden sich unter Umständen für eine der Oppositionsparteien oder gar eine Splitterpartei.

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2 Kommentare

  1. Altbekannte Platitüden. Was anderes war auch nicht zu erwarten bei dem Erfolgsdruck, unter dem beide Kandidaten stehen (der kleinste Patzer…). Das erklärt aber nicht, warum die Themen Bildung und Bürgerrechte nicht einmal angeschnitten wurden.

    1. Die Themen Bildung und Bürgerrechte sind „in der Krise“ weniger wichtig. Könnte man zumindest nach außen hin so vertreten. Nach dem Motto: wenn der Motor eines Autos nicht mehr rund läuft, muss erst der Motor wieder in Schwung gebracht werden, bevor man sich um die Insassen im Auto kümmert.
      Ein anderer Punkt könnte auch sein, dass das Thema Bildung wegen der politischen Unterschiede raus flog. Das ganze Duell war doch von friedlicher Akzeptanz geprägt. Da hätte ein Thema nur gestört, bei welchem man politische Farbe hätte zeigen können und müssen.
      Und dass die Bürgerrechte nichtg angeschnitten wurden, war klar. Da wollte man ganz einfach unbequemen Fragen aus dem Weg gehen. Möglichst verhindern, dass andere Parteien in diesem Atemzug genannt werden und man eventuell massiver Kritik ausgesetzt wird.

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