Und täglich strahlt das Brandenburger Tor

Paris erlebte am 13. November 2015 den schlimmsten Terroranschlag der Geschichte. Damals wurden 130 Menschen getötet und 352 verletzt, davon 97 schwer. Zu dem Massaker bekannte sich die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS). Als öffentliche Solidaritätsbekundungen wurden damals weltweit bekannte Gebäude in den Farben der französischen Trikolore angestrahlt, so unter anderem das Opera House in Sydney, das Rathaus in Tel Aviv-Jaffa, die Tower-Bridge in London, die Christusstatue in Rio de Janeiro, das 1. World Trade Center in New York sowie das Brandenburger Tor in Berlin.

Einige Monate zuvor am 7. und 9. Januar 2015 wurde Paris bereits zu einem Umfeld für Terror, als Maskierte die Büros der Redaktion von „Charlie Hebdo“ stürmten. Schon damals war die weltweite Bestürzung groß. Das politische Gedenken folgte wenige Tage später bei einem riesigen Solidaritätsmarsch durch Paris, an dem alle namhaften Politiker/innen der Europäischen Union teilnahmen. Alleine in Paris versammelten sich über 1,5 Millionen Menschen zu einem Trauermarsch.

Solidaritätsbekundungen sind gut und wichtig. In Zeiten der Not und des Elends zeigen Freunde damit ihre Anteilnahme. Das Illuminieren der Gebäude war zudem ein respektvolles und zudem sichtbares Zeichen des Mitgefühls. Die Presse bekam zudem wunderbare Motive, welche ohne Worte die Symbolik der Lage transportierten. Daher war es keine Frage, dass solche Aktionen sich wiederholen würden.

Nach den Terroranschlägen in Brüssel im März 2016, leuchtete das Brandenburger Tor in den Nationalfarben der Belgischen Flagge.
Nach den Anschlägen auf dem Istanbuler Flughafen Atatürk im Juni 2016 wurde das Brandenburger Tor mit den Farben der Türkischen Flagge angeleuchtet.
Am 2. Januar 2017 folgte ein weiterer Anschlag in Istanbul und wieder erstrahlte das Brandenburger Tor mit der Türkischen Flagge.
Zuletzt am 8. Januar 2017 gab es einen Anschlag des IS in Jerusalem und das Brandenburger Tor wurde dieses Mal mit der Israelischen Flagge beleuchtet.

Manche Mitmenschen sind gar derart beseelt von ihrem Mitgefühl, dass sie sogar eine Petition dazu starten. Und die Forderung von Volker Beck (Bündnis90/Die Grünen) wirkt sehr nach Profilierungssucht.

Die Aktion verkommt zur Beliebigkeit

Wenn nun jede Woche irgendwo ein Anschlag passiert oder gar täglich, dann kann man gleich zu einer Dauerbeleuchtung übergehen. Wahlweise mit einer Weltflagge oder in Dauerschleife alle 193 Nationalflaggen dieser Welt.
Übt man Kritik an dieser Beleuchtungsaktion, erntet man von vielen ein verwirrtes Kopfschütteln. Man dürfe nicht so kaltherzig sein, man müsse Solidarität zeigen und vor allem ganz viel Mitgefühl. Es tut mir leid, ich kann persönlich kein Mitgefühl entwickeln für Menschen die ich nie gekannt habe – nicht einmal über 4 Ecken. Es ist eher heuchlerisch, sofort nach Empathie zu rufen, obwohl man die Opfer gar nicht kannte.

Jede Woche eine andere Nationalflagge auf unserem Wahrzeichen. Und dann? Irgendwann interessiert es niemanden mehr sonderlich. Für die vielen Touristen ist es hingegen weiterhin ein „tolles“ Kameramotiv. Doch als Solidaritätssymbol verkommt es zur Beliebigkeit. Und Beliebigkeit führt zu Gleichgültigkeit. Doch davon wollen die Gutmenschen und die engagierten Politiker nichts wissen. Der Jetzt-Effekt zählt.

Zum Schluss noch eine ernsthafte Kritik an dieser dauerhaften Beflaggung. Für die Attentäter ist dieses Symbol ein zusätzlicher Anreiz für einen weiteren Anschlag. Es warten dann nicht nur 72 Jungfrauen im Paradies. Zur weltweiten Erwähnung in der Presse kommt noch die gut sichtbare „Trophäe“ in Form von großflächigen Flaggen hinzu.

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