Beim Berliner Schulessen kochen die Argumente über

Vor ca. zwei Wochen lief es für viele Berliner Schüler äußerst beschissen. Nach dem Schulessen flog ihnen die Kloschüssel sprichwörtlich um die Ohren. Schuld waren die Tiefkühlerdbeeren aus dem Nachtisch. In den Augen vieler ist jedoch alles und jeder schuld: der niedrige Preis für das Essen, der konzernartige Caterer, die billigen Lebensmittel sowieso und überhaupt die Gesamtsituation. So mancher Topf kocht derzeit über. Und die wenigsten schaffen es nicht mehr, über den eigenen Tellerrand zu schauen.

In Berlin hatten 2213 Kinder eine Infektion mit den Norovirus. Der Durchfall war heftig dafür aber nur von kurzer Dauer. Darüber hinaus hatten die kleinen Patienten keine anderen Leiden. Schlimm genug aber auch nicht weiter tragisch. In manchen Medien hatte man jedoch das Gefühl, die Schweinegrippe Reloaded würde über das Land herein brechen.

Sofort nach dem Ausbruch des Virus wurde der Caterer sodexo als Schuldiger ausfindig gemacht. Dieser bestritt anfangs noch die Vorwürfe, doch nach einigen Tagen Ursachenforschung konnten die tiefgefrorenen Erdbeeren als Überträger identifiziert werden. Wieso die Erdbeeren kontaminiert waren, lies sich nicht mehr feststellen. Im Nachhinein hat der Caterer daher für alle Kinder eine Entschädigung von 50 Euro in Aussicht gestellt.

Für viele Beobachter war dieser Fall schon lange überfällig. Viele betonen, dass sodexo kann gar keine vernünftige Qualität liefern – bei der Größe. Die sodexo SCS beschäftigt in Deutschland 17.00 Mitarbeiter in 871 Betrieben. Für die Kinder- und Schülerverpflegung hat man 65 regionale Küchenstandorte, welche täglich für mehr als 200.000 Kinder und Jugendliche in über 2.000 Einrichtungen kochen.
Mir wird auf den ersten Blick nicht ganz klar, wieso eine große Unternehmensstruktur eine negative Auswirkung auf das Essen haben soll. Wir kaufen doch auch beim Bäcker ‚umme Ecke unsere Brötchen, welche in Polen in Massen hergestellt und tiefgefroren über 1000 Umwege auf unserem Tisch landen. Und niemand macht sich Gedanken darüber. Oder alleine der tägliche Nachschub mit Obst und Gemüse aus Spaniens Almería: täglich über 8.000.000 Kilogramm.

Eine große Forderung ist daher die Nutzung lokaler Anbaugebiete und der vermehrte Einsatz von Bioprodukten. Dies ist eine ehrenhafte Vorstellung, doch mit erheblichen Einschränkungen verbunden. Südfrüchte wären so gut wie ausgeschlossen. Besonders arm wären die Monate im Winter und Frühjahr. Denn was soll in unseren Breitengraden zu dieser Jahreszeit wachsen? Ebenso dünn wäre das Angebot an Gemüse. Erst recht bei Fleisch und Fisch. Regionale Bioprodukte sind für den persönlichen Weltfrieden ein ehrbares Ziel. Für die massenhafte Verpflegung mit abwechslungsreicher Kost leben wir dafür allerdings in der falschen Region.

Eine weitere Forderung geht zu einer verstärkt lokalen Herstellung. Sprich, am besten sollte jede Schule seine eigene Küche haben. Wieso aber dann bei diesen Minibetrieben die Gefahr vor Viren, Keimen und Verunreinigungen kleiner sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Mehr Betriebe bedeutet mehr Personal bedeutet mehr Gefahrenquellen. Der Kontrollaufwand wäre ebenso größer wie der Schulungsaufwand. Es ist also reichlich kontraproduktiv, die lokale Schulküche zu fordern. Von den weitaus höheren Kosten einmal abgesehen.

Überhaupt ist der Preis für das Berliner Schulessen der ganz große Streitpunkt. Für 2,10 Euro kann man kein vernünftiges Essen kochen, so die Eltern. Mehr bezahlen wollen die Eltern allerdings (auch) nicht, weil sie der Meinung sind, dass die 2,10 Euro schon jetzt den privaten Rahmen sprengen. Da frage ich mich ernsthaft: wie würden die Eltern ohne das schulische Essen es schaffen, ihre Zöglinge für 2,10 Euro satt zu bekommen? Was bekommt man für 2,10 Euro bzw. wie schafft man es privat für 2,10 Euro ausgewogen zu kochen? Die Eltern sollen mehr für das Schulessen zahlen müssen.

Abschließend noch ein ganz nüchternen Faktor, welcher für einen großen Caterer spricht. Mit einer größeren Konzernstruktur schafft man es, eine kostengünstigere Warenbeschaffung zu erreichen. Es gelten die gewöhnlichen Marktgesetze: wer viel einkauft erhält einen niedrigeren Preis. Am Schluss stehen noch die Personalkosten. Wenn fünf Personen für 1.000 Kinder kochen ist dies sicherlich günstiger als wenn drei Personen für 200 Kinder die Pfannen schwenken.

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