Am Sonntag in Berlin: Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof

Am Sonntag, den 27. April ist es endlich so weit. Die Berliner Bürger entscheiden über den Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof (als Verkehrsflughafen). Dazu sind ca. 1,3 Millionen wahlberechtigte Bürger und Bürgerinnen von Berlin dazu aufgefordert, am Volksentscheid teil zu nehmen. Geben dabei mehr als 50% der Wähler/innen ihre Stimme mit „Ja“ ab, ist der Volksentscheid positiv. Doch das heißt noch gar nichts. Damit ist keine Entscheidung getroffen. Paradox? Ja, denn im derzeitigen Streit um Tempelhof scheiden sich nicht nur die Geister sondern auch die Parteien verrennen sich in ihrer politischen Ausrichtung.

„Egal wie der Volksentscheid endet, Tempelhof wird geschlossen.“

Bei den vielen Diskussionen, welche derzeit geführt werden, werden schon jetzt die politischen Ziele klar abgesteckt. Frau Ingeborg Junge-Reyer (Senatorin für Stadtentwicklung, SPD) betont bereits jetzt vehement, zu einem Zeitpunkt an dem noch keine Entscheidung zum Volksentscheid aussteht, dass Tempelhof definitiv geschlossen wird. Prinzipiell bräuchten die Berliner am Sonntag gar nicht zur Wahlurne gehen, denn der Senat hat seine eigenen Pläne, und jene sind bereits besiegelt. Da wird nicht mehr daran gerüttelt.
Es ist nicht nur politischer Unfug, was der Senat mit diesem Volksentscheid bei seinen Bürgern begeht. Es ist zudem äußerst grotesk und fragwürdig, welche Rolle der Bürger überhaupt noch in diesem politischen Klüngel spielt. Der Volksentscheid ist ein volkspolitisches Instrumentarium:
Volksentscheid, Referendum, eine unmittelbare Mitwirkung des Volkes an der staatlichen Gesetzgebung oder an sonstigen staatlichen Entscheidungen durch Abstimmung. [Quelle]
Doch was ist der Volksentscheid zum Weiterbetrieb von Tempelhof noch wert, wen dessen Ergebnis so gut wie möglich ignoriert wird? Am Sonntag entscheiden die Berliner Bürger nicht nur über den Flughafen Tempelhof sondern auch insgeheim auch über den politischen Frieden in der Stadt. Sollten mehr als 50% der Stimmberechtigten mit „Ja“ stimmen, könnte es in den darauf folgenden Tagen und Wochen zu äußerst brisanten Entwicklungen auf der politischer Führungsebene kommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass durch selbe Fehler politische Größen urplötzlich ins Wanken geraten und abstürzen.

„Wir gefährden dadurch den Großflughafen BBI.“

Wie oft hat musste man diesen Satz bereits schon lesen. Fakt ist allerdings: er wird nicht dadurch korrekter, je öfter er gesagt wird. Die Stadt Berlin und das Land Brandenburg haben im Landesentwicklungsplan (damals) beschlossen, dass der Großflughafen BBI nur dann erfolgreich geplant und gebaut werden kann, wenn die innerstädtischen Flughäfen (Tempelhof und Tegel) ihren Flugbetrieb einstellen. Dazu haben sie von höchst richterlicher Instanz durch das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht bekommen.
Es waren somit der Senat zu Berlin und die Landesregierung von Brandenburg, welche bereits frühzeitig den Ausstieg von Tempelhof beschlossen haben. Diese Entscheidung könnte jederzeit rückgängig gemacht werden, würde man den Landesentwicklungsplan umschreiben. Es wird nun allerdings von den beteiligten Parteien stets betont, dass das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung zur Schließung von Tempelhof beschlossen hätte. Dies ist faktisch falsch. Denn das BVG hat nur die damalige Entscheidung des Landesentwicklungsplanes bekräftigt.
Es zeigt sich an diesem Beispiel einmal mehr, wie weit die Parteien ihre Entscheidungen von sich weg schieben. Es wird so getan, als ob sie für die Schließung nicht verantwortlich wären. Alle politischen Gegner von Tempelhof betonen, dass das BVG der alleinige Entscheider in dieser Sache sei.

„Wir wollen einen Park mit Wohnungen und Geschäften.“

Die politischen Gegner von Tempelhof bringen als Argument für die Schließung von Tempelhof stets hervor, dass das große Areal des Flughafens als Park umgebaut werden könnte und sollte. Es stellt sich allerdings die Frage, wie viele Parks wir in der Stadt noch zusätzlich benötigen. Schon jetzt verfügt Berlin über den großen Tiergarten, die Hasenheide, den Volkspark Friedrichshain und viele weitere kleinere innerstädtische Parks. Neu hinzu kommen demnächst der Park am Gleisdreieck und das Areal am Schlosspark. Wird auch noch das riesengroße Gelände des Flughafens Tempelhof zum Park umfunktioniert, werden wir in Berlin mehr Parkanlagen haben als andersartig bebaute Flächen. Grünflächen sind gut und wichtig, doch wie viel davon ist wirklich notwendig? Schon jetzt kämpfen sehr viele Parks mit der Finanzierung bei der ständigen Pflege. Nebenbei erwähnt sein möchte: der Senat hat bis dato keine nachvollziehbare Finanzierung vorgelegt, was die Umgestaltung von Tempelhof zum Wohnpark kosten und wer dies finanzieren soll.
Und benötigen wir noch mehr Raum für neue Wohnungen? Nein, denn bereits jetzt gibt es in im innerstädtischen Gebiet sehr viele leerstehende Wohnungen und Geschäftsräume. Durch die Umfunktionierung des Geländes Tempelhofs würde sich dieser Leerstand nur noch vergrößern. Es ist eine politische Lüge, wenn Frau Senatorin Junge-Reyer glaubhaft machen möchte, dass die Berliner mehr neuen(!) Wohnraum benötigen. Schon jetzt werden in Marzahn und Hellersdorf die großen Wohnanlagen rückgebaut, weil dort massiver Leerstand herrscht. Die Bevölkerungszahlen von Berlin stagnieren bzw. sind leicht rückläufig, da immer mehr Familien in den sogenannten „Speckgürtel“ an den Rand von Berlin ziehen. Wer also soll in das innerstädtische Gebiet von rund 360 ha (entspricht ca. 4.400 Fußballfelder) ziehen wollen?
Bei den Geschäfts- und Büroräumen zeigt sich das selbe Bild. Bereits jetzt stehen in innerstädtischen Gebäuden sehr viele Büroräume leer, weil die entsprechenden Mieter fehlen. Es herrscht ein Überangebot an leerstehenden Geschäftsräumen.

„Klinik mit Flughafenanbindung“

Die Befürworter von Tempelhof haben ein stichhaltiges Konzept, wie der Cityairport weiterhin genutzt werden soll. Die Investorengruppe aus Lauder, Langhammer, Deutsche Bahn, Charité und Siemens planen auf dem Flughafengelände ein ambulantes Gesundheitszentrum mit einem der modernsten Diagnostikzentren der Welt.
Auf Wahlkampfplakaten der Gegner ist stets zu lesen, dass „ich (als Berliner Bürger) keinen VIP-Flughafen möchte„. Ist das alles? Wo sind die Gegner, welche die Friedrichstraße als Promi-Einkaufsmeile bezeichnen? Wer wehrt sich dagegen, dass ein Zimmer im Hotel Adlon mindestens 100 Euro die Nacht kostet? Was ist so negativ daran, VIPs und Reiche in die Stadt zu locken?
Berlin ist arm und sexy. Muss es denn auf immer arm sein, nur um sexy zu bleiben? Mir persönlich ist es relativ egal, wer den Flughafen nutzt; ob dies nun Besserverdiener und Manager sind oder Reiche und Schöne. Jeder Gast bringt Geld nach Berlin. Und jede Investition in diese Richtung schafft Arbeitsplätze und beschert der Stadt zusätzliche Steuereinnahmen.
Berlin ist mit der unfassbaren Summe von ca. 60 Milliarden Euro (60.000.000.000 Euro) verschuldet. Zudem gibt es über 250.000 Erwerbslose in der Stadt, was einer Quote von ca. 15% Arbeitslosen entspricht. Zudem muss man erwähnen, dass selbst sehr viele der Erwerbstätigen begleitendes Hartz-IV bekommen. Berlin kann es sich daher nicht leisten, auf Investitionen abweisend zu reagieren.

Politisches Schmierentheater erster Güte

Wenn Berlin dieser Tage eine Auszeichnung verdient hätte dann für das beste politische Scharmützel seit Jahren. Der Volkswille wird bereits im vorauseilenden Gehorsam abgeschmettert, die Pläne für eine Umgestaltung des Geländes liegen nicht vor, Investoren werden abgeschreckt und der Senat plant den nächsten Stadtpark für arbeitslose Hundehalter anstatt in Beschäftigung zu investieren. Zudem schiebt man konsequent die Schuld auf die Entscheidung des BVG, obwohl man selbst für diesen Weg verantwortlich ist. Und Berlins OB Klaus Wowereit, entschiedener Gegner von Tempelhof, äußert sich seit Wochen nicht mehr zu dem Thema. Er erscheint nur zu Veranstaltungen, wenn es auf dem BBI-Gelände etwas Neues zu bestaunen gibt. Zeigt sich hier bereits die erste Vorahnung, dass die politische Karriere von Klaus Wowereit mit dem Sieg über Tempelhof vorzeitig zu Ende sein könnte? Oder ist es gar Absicht, derart „galant“ aus dem Amt zu scheiden? Die Umfragewerte von „Wowi“ sind schon seit Monaten im Keller und die politische Arbeit besteht in letzter Zeit größtenteils nur noch aus Promi-Leben.

Meine Entscheidung: Ja, zum Flughafenbetrieb auf Tempelhof.
Ich kann nur jeden wahlberechtigten Berliner am Sonntag dazu aufrufen, am Volksentscheid teil zu nehmen. Jeder soll sich dabei im Vorfeld seine eigene Meinung bilden. Nur wer gut informiert zur Wahl geht, entscheidet damit die richtige Zukunft für Berlin.
Und was sich aus dem Entscheid an politischen Personalfragen ergeben wird, werden wir in den nächsten Wochen sehen. Da ist das letzte Wort noch nicht gefallen.

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